Wann kommen Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte im Handel?
Viele Einzelhändler und Einzelhandelsketten testen und betreiben seit einiger Zeit stationäre Geschäfte ganz ohne Verkäufer und Kassierer. Angeblich soll so das Geschäft der Zukunft aussehen. Was zeichnet diese Geschäfte aus? Sie sind 24 Stunden geöffnet, haben geringe Personalkosten, erheben Daten über das Kaufverhalten der Kunden*innen und funktionieren mit verschiedenen, innovativen Technologien. Insbesondere zeichnen sie sich durch eine hohe Automatisierung aus. Wann kommen Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte in den deutschen Handel?
Mittlerweile finden sich Beispiele für derartige Geschäfte überall auf der Welt. Dabei kommen diese Kassierer- und Verkäuferlosen Geschäfte verstärkt in Asien und Amerika zum Einsatz. In Europa und insbesondere in Deutschland ist man noch zurückhaltend. Allerdings entstehen jetzt erste Piloten im deutschsprachigen Raum. Ist das eine Modeerscheinung oder die Zukunft des stationären Einkaufens?
Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte im Handel – USA
Ein Beispiel und eines der ersten Piloten in den USA ist das von Amazon eröffnete stationäre Geschäft Amazon Go. Dort pilotiert Amazon mit einem Geschäft ohne Kassen und auch recht wenig Personal. Hinein in das Geschäft, Waren in den Rucksack stecken und einfach wieder rausgehen? Was normalerweise einem Ladendiebstahl entspricht, ist bei Amazon Go so erwünscht.
Daneben eröffnete im Jahr 2016 Farmhouse Foods in der ländlichen Stadt Minnesota in Neu-Prag seinen verkäuferlosen 24-Stunden-Selbstbedienungsladen. Die Idee dazu entstand, als Farmhouse merkte, dass Käufer*innen zu sehr unkonventionellen Zeiten einkauften und sie darüber hinaus viele Pendler nicht erreichten, die sich mit lokalen und biologischen Lebensmitteln eindecken wollten.
Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte im Handel – Asien
Neben den USA wird dieser Nischenmarkt auch in Asien verstärkt besetzt. Gerade dort werden diese Art von Geschäften besonders besucht durch Kunden, die zum einen technisch versiert sind und zum anderen eher Produkte rund um die Uhr einkaufen wollen als einen persönlichen Service suchen.
Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte im Handel – China
Insbesondere in China finden sich bereits mehr Piloten und operative Verkäufer- und Kassiererlose Geschäfte. Eines der am häufigsten genannten Beispiel ist BingoBox. Mittlerweile betreibt das Technologie-Startup heute etwa 200 eigene Geschäfte in China, einem der wichtigsten Märkte für dieses Format. Und das Unternehmen plant weiter in Südkorea, Hongkong und Malaysia zu expandieren.
Daneben eröffnete der Handelsriese Alibaba in China ein verkäuferloses Geschäft, das Tao Café.
Darüber hinaus testen auch erste Konsumgüterhersteller derartige Formate. Die Hangzhou Wahaha Group, einer der größten Food & Beverage-Hersteller in dieser Region, öffnete TakeGo – einen mit neuester Technik ausgestatteten Verkaufsautomat (vending machine).
Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte im Handel – Südkorea
7-Eleven testete in 2017 unter dem Namen Signature in Seoul, Südkorea, seinen ersten verkäuferlosen Store und nennt diesen “C-store of the future”.
Mobiles verkäuferloses Geschäft in China
Darüber hinaus hat Wheelys, ein schwedisches Startup, in Shanghai MobyMart etabliert, einen Supermarkt, der zum Kunden kommt. Eine App auf Ihrem Handy leitet MobyMart zum Standort des Käufers. Also eine Art Uber mit Essen. Die Artikel, die angeboten werden, sind zum sofortigen Verzehr geeignet aber auch Frischeartikel. Auf dem Leuchtschild steht schlicht „24 Hour Store“.
Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte im Handel – Japan
Die erfolgreiche japanische Modekette Uniqlo plant die Einführung von Uniqlo To Go-Automaten in Schlüsselmärkten mit den beliebtesten Modeartikeln des Unternehmens. Dabei sollen die Automaten in Einkaufszentren und Flughäfen in den USA platziert werden. Im Grunde genommen ist dies für japanische Unternehmen grundsätzlich kein neues Konzept. Denn seit Jahren verkaufen japanische Unternehmen über Automaten alles, von High-End-Kameras bis hin zu Kobe-Rindfleisch.
Verkäufer- und Kassiererlose Mini-Supermärkte in Japan
Nach der Ankündigung der fünf größten Mini-Supermarkt-Betreiber in Japan, bis 2025 ihre Filialen automatisieren zu wollen, folgen nun auch konkrete Taten. Der Händler NewDays probiert ein erstes automatisiertes Geschäft an einer Bahnstation aus. Das Geschäft an der Haltestelle Musashi-Sakai in Tokio arbeitet ohne Verkäufer und Kassierer. Der Store wird von Mitarbeitern anderer Filialen betreut, ein Sicherheitskamerasystem verhindert Ladendiebstahl.
East Japan Railway mit Kassierer- und Verkäuferlosem Store
Aber auch andere Firmen arbeiten an kassenlosen Lösungen. Zum Beispiel testet die East Japan Railway an der Haltestelle Akabane im Norden von Tokio ein Konzept. Dabei können die Kunden die gewünschten Produkte einfach einpacken und mitnehmen. Diese Art des Einkaufens wird möglich, weil Kameras an der Decke die Kunden beobachten und Künstliche Intelligenz die Einkäufe zuordnet. Abschließend bezahlen die Kunden*innen mit den Bahnkarten, mit denen sie auch in den Zügen einchecken. Der Partner für den Kassierer- und Verkäuferlosen Store ist die hauseigene Supermarktkette Kinokuniya.
Über ein weiteres Kassierer- und Verkäuferloses Geschäft in Israel haben wir in dem Beitrag “IoT-Technologien im Geschäft – Handel in 2025“. Hinzu kommt ein Beispiel aus Schweden: “The Fitting Room – Weg in den zukünftigen Einzelhandel“.
Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte im Handel – Deutschland
Und wie sieht es hierzulande aus? Ist das auch ein Ansatz für den deutschen stationären Handel? In Deutschland erfolgt die Entwicklung und der Test Verkäuferloser Geschäfte noch sehr verhalten.
Wirecard “Grab and Go-Store”
Wirecard zeigt mit seinem neuen “Grab & Go Store” wie rund-um-die-Uhr-Einkaufen aussehen kann, ohne Warteschlangen, Kassen, Öffnungszeiten und ohne Personal. Dazu hat der Zahlungsdienstleister in seinem Innovationslabor ein digitales Store-Konzept entwickelt. Es kombiniert Bilderkennung, Künstlicher Intelligenz und Logik, um den Käufern*innen eine komplett digitale Customer Journey zu ermöglichen. Dabei erhalten die Kunden*innen den Zutritt zu dem Geschäft über eine Handy-App oder über ihre Kreditkarte. Anschließend werden Im Geschäft die ausgewählten Produkte automatisch gescannt. Am Ende erfolgt die Zahlung beim Verlassen des Geschäftes.
Weitere verkäuferlose Piloten im deutschsprachigen Raum
Das Schweizer Handelsunternehmen Valora eröffnete am Züricher Hauptbahnhof seine ersten kassenlosen Convenience Store. Der Zugang, die Erfassung der Waren und das Bezahlen erfolgen über die avec-Smartphone-App. Daneben bildet eine Kernkomponente die Scan-Engine des Mobile-Computer-Vision-Spezialisten Scandit.
Daneben hat Real in Stuttgart gemeinsam mit dem Start-up Smark ein neues Einzelhandelskonzept realisiert, das Konsumenten 24/7 ermöglicht, Produkte für den täglichen Bedarf über einen Bestellterminal einzukaufen ohne dafür eine Handy-App nutzen zu müssen.
Über diese und weitere Piloten im deutschsprachigen Raum werden wir in einer der nächsten Artikel detailliert berichten.
Kassen- und Verkäuferlose Geschäfte – wie sieht die Zukunft aus?
Die Attraktivität von Kassierer- und Verkäuferlosen Geschäften ist einleuchtend. Insbesondere in der Handelsbranche, die durch verstärkte Online-Verkäufe, steigende Arbeitskosten, aufwändige in-store-Abwicklungen und zum Teil unzufriedene Kunden gekennzeichnet ist. Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken wird zunehmend Technologie im Handel eingesetzt. Sie sollen das Kundenerlebnis verbessern.
Zunächst sind Kassen- und verkäuferlose Geschäfte sicherlich erst einmal ein Nischenmarkt, der gleichwohl wächst. Die Gründe dafür liegen in der steigenden Anzahl von technisch versierten Käufern. Denn diese suchen immer mehr nach Komfort beim Einkaufen statt nach persönlichem Service.
Zusammenfassend sollten die Einzelhändler diesen Trend nicht einfach als Modeerscheinung ansehen, sondern sich damit intensiv beschäftigen. Sie sollten in ihren stationären Geschäften den Kundenkomfort und den Kundenservice verbessern und das Einkaufen einfacher machen. Ein aktuelles Hindernis ist heute noch das Kassieren und der Checkout. Von Beginn an war der Einzelhandel eine Dienstleistungsbranche, und menschliche Interaktion, richtig angewandt, ist der Schlüssel zum Einzelhandelserlebnis. Sicherlich wird das kassen- und verkäuferlose Geschäft in Zukunft ein Teil der Einzelhandelslandschaft sein. Aber es wird ein Format sein, das stationäre Geschäfte ergänzt und nicht ersetzt.