Chinas Online-Shopping-Markt ist nicht nur der größte, sondern auch der innovativste der Welt. Chinesen kaufen ein, wann immer sie wollen, wo immer sie wollen und lassen sich per Expresslieferung die Artikel nach Hause liefern. Das erfolgt zum einen zu geringen Lieferkosten und in den Großstädten innerhalb von circa 30 Minuten. Einfach zu bedienende Online-Seiten, mobile Apps und bequeme Bezahl-Lösungen haben das Wachstum im Online-Markt in China vorangetrieben. Online kann fast alles gekauft werden: Lebensmittel, Modeartikel, Luxusautos, Online-Kurse, Haustierpflege, Autos – die Auswahl ist unerschöpflich. Online-Shopping ist nicht langweilig, sondern interaktiv und bietet ein digitales Einkaufserlebnis: Interaktives Online-Shopping in China.
Mehr als 50 % Handelsumsatz über Online-Shopping
China ist auf dem besten Weg, das erste Land zu werden, in dem ein Großteil der Einzelhandelsumsätze online stattfindet. Dem gegenüber werden weniger Einkäufe in traditionellen Ladengeschäften getätigt. China wird in diesem Jahr einen Schritt in seiner digitalen Transformation machen, der früher fast undenkbar schien. Zum ersten Mal wird ein Großteil der Einzelhandelsumsätze eines ganzen Landes online abgewickelt. In China werden bis Ende dieses Jahres 52,1 % aller Einzelhandelsumsätze online abgewickelt werden. Das ist eine Steigerung von 7,3 % gegenüber 2020. Aber was sind die Treiber für diese Entwicklung?
Online-Handel – gestärkt aus der Corona-Krise
Während der Corona-Krise in China erlitten die Einzelhandelsumsätze einen schweren Rückschlag. Dabei brachen dies Umsätze um rund zwanzig Prozent ein. Demgegenüber verzeichnete der chinesische Online-Handel dramatische Umsatzanstiege gegenüber dem Vorjahr. Chinas E-Commerce- und Online-Giganten wie Alibaba, Suning oder JD.com unternahmen alle erdenklichen Anstrengungen, ihre früheren Leistungen aufrechtzuerhalten und in einigen Fällen sogar zu übertreffen. Neben Mode sind andere Kategorien in der chinesischen Online-Landschaft während der Krise extrem stark anstiegen. Und gerade Kosmetik-Artikel – auch von namhaften Marken wie Lancôme – konnten im Online-Handel stark zulegen.
Interaktives Online-Shopping in China – der weltweit größte Online-Shopping-Markt
China ist mittlerweile der weltweit größte Online-Shopping-Markt. Zum einen hat China die weltweit größte Bevölkerung. Zum anderen ist diese sehr technikaffin. Zudem hat China als sehr geschützter Markt die Entwicklung zahlreicher lokaler Anbieter vorangetrieben, die um die heimischen Marktanteile kämpfen. Darüber hinaus rüsten sie sich für eine globale Expansion. Die Handelsvolumina der großen Plattformen sind im vergangenen Jahr nochmals deutlich schneller gewachsen. Auf der Alibaba-Plattform wechselten Waren im Wert von 1,2 Billionen Dollar den Besitzer; auf dem Amazon Marketplace waren es knapp 500 Mrd. Dollar, ein Zuwachs von rund 46 Prozent. JD.com hat auch erstmals die Marke von 400 Mrd. Dollar überschritten, während Etsy (+106 Prozent) und Pinduoduo (+82 Prozent) das schnellste Wachstum hingelegt haben. Für viele klassische Händler war die Corona-Pandemie der Anlass, ihre Kunden auf neuen/digitalen Wegen zu erreichen.
Nicht nur technikaffine Millennials sind im Online-Shopping unterwegs
Die chinesische Internet- und E-Commerce-Landschaft, die mittlerweile Hunderte Millionen Nutzer zählt, ist eine der innovativsten und fortschrittlichsten der Welt. Denn die Chinesen haben sich daran gewöhnt, ihre Smartphones und Computer zu nutzen, um fast alles online zu kaufen und zu bezahlen. Einfach zu bedienende mobile Apps und Bezahlsysteme haben das Wachstum des Online-Shoppings vereinfacht und vorangetrieben. Dabei wird der Online-Handel nicht nur von jungen, technikaffinen Millennials angenommen, sondern auch von älteren Generationen. Es wird erwartet, dass die Zahl der über 60-Jährigen, die aktiv Artikel und Dienstleistungen online kaufen, bis 2020 255 Millionen Menschen übersteigen wird. Und obwohl China noch nicht den wirtschaftlichen Status eines Hocheinkommenslandes erreicht hat, ist es auf dem besten Weg dorthin, da die größten Städte bereits ein Einkommensniveau aufweisen, das mit fortschrittlichen Volkswirtschaften vergleichbar ist.
Zehn Online-Akteure auf dem chinesischen Online-Markt
Der Wettbewerb auf dem chinesischen E-Commerce-Markt ist einer der schärfsten der Welt. Die Volumina und der Wettbewerb lassen sich unter dem folgenden Link ablesen. Bemerkenswert ist, dass der weltgrößte Händler mit seiner Hauptwebseite alibaba.com nicht in dieser Liste vertreten ist. Die Webseite konzentriert sich auf den Großhandelsexport außerhalb Chinas. Damit generiert sie keinen signifikanten Traffic und Umsatz in China. Der chinesische Marktführer im E-Commerce, die Alibaba Group, ist jedoch über verschiedene andere Websites präsent, insbesondere über Taobao, Tmall und Alibaba1688. Ein weiterer Großer ist JD.com. Er ist unter anderem mit WeChat und eigenen Web-Seiten präsent. Zudem ist ein Indikator für die hohe Dynamik in der chinesischen E-Commerce-Industrie die sich schnell verändernde Marktverteilung: So ist der Marktanteil von Alibaba inzwischen von 81 % auf 55 % gesunken, während Unternehmen wie JD.com, Meituan oder Pin Duoduo auf den Markt drängen.
Chinesische Online-Webseiten
Innovationen im Online-Shopping
In Sachen Innovationskraft im E-Commerce zeigen viele asiatische Länder den westlichen Industrienationen, wo es langgeht. Allen voran gehört China aufgrund der Marktgröße und den zahlreichen innovativen Ansätzen inzwischen zu den attraktivsten E-Commerce-Märkten der Welt: Was macht die Digitalisierung in Asien so erfolgreich? Und was können westliche Unternehmen davon lernen?
Interaktives Online-Shopping in China – chinesische Online-Anbieter erfinden sich jeden Tag neu
Westliche Unternehmen haben irgendwann Ende der Neunzigerjahre gelernt, wie Onlineshopping funktioniert. Seitdem hat sich im Grunde nicht viel verändert. Ob in klassischen Onlineshops oder auf Marktplätzen wie Amazon: Die Kund*innen klicken sich durch die immer gleichen Produktlisten mit Fotos, Beschreibungen, Preisen, Lieferkonditionen und ggf. Kundenbewertungen. Björn Ognibeni, Digitalberater und China-Kenner beschreibt es treffend, indem er zu den westlichen Online-Shops sagt: Die Gestaltung der Internetshops erinnert dabei ein wenig an die Gestaltung von Pkws. Wo sich alle an den gleichen Zielgrößen orientieren, kommen alle zu den gleichen Lösungen. Und wo Firmen und Kunden erst mal verstanden haben, wie etwas geht, vergisst man irgendwann, dass es vielleicht auch anders gehen könnte. Das wirtschaftliche Wachstum in China und anderen asiatischen Ländern hingegen ist geprägt von ständiger Veränderung, Agilität und Innovationskraft. Es wird sich weniger auf ein einzelnes Problem fokussiert, sondern in komplexen Netzwerken und Systemen gedacht.
Multi-Service-Plattformen ‒ vernetzte Systeme mit umfangreichen Funktionen
Während es im Westen noch klare Plattformen für die unterschiedlichen digitalen Dienste gibt – Facebook für Social Media und Messaging, PayPal für Online-Zahlungen, Amazon als Online-Marktplatz – sind diese Grenzen in China längst verschwunden. Dort haben die erfolgreichsten digitalen Unternehmen sämtliche Produkte und Dienstleistungen im Portfolio und lassen sie über die unterschiedlichsten Kanäle miteinander verschmelzen. Damit bieten die chinesischen Online-Plattformen nicht mehr nur Online-Shopping, sondern ein Gesamtpaket, bestehend aus verschiedenen Services wie Online-Bezahlung, Social Media, Gaming, Messaging-Diensten, Videos und Live-Streaming. Somit decken sie sämtliche Bedürfnisse der Kund*innen ab (Multi-Service-Plattformen). Hinzu kommen in der Regel weitere Anwendungsdienste wie zum Beispiel Hotel- und Reisebuchungen, Konzertticket- und Kinokartenverkauf, Carsharing- und Taxidienste, um einmal einige zu nennen.
Innovationen im Online-Shopping in China
Die chinesischen Online-Anbieter lassen den Aufenthalt auf den eigenen Shopping-Apps und Online-Webseiten zu einem echten Erlebnis werden. Dazu trägt die lebendige Gestaltung vieler Produktdarstellungen bei Zum Beispiel werden viele Produkte über sogenannte “Unpacking-Videos” angepriesen. Weiterhin werden umfangreiche Hintergrundinformationen zu spannenden neuen Produkten und Marken gegeben. Hinzu kommen viele spielerische Elemente, die den Online-Einkauf unterhaltsamer machen. Darüber hinaus unterstützen Live-Streaming Events mit Key Opinion Leader (KOLs) – Live-Verkäufern – eindrucksvoll den Verkaufsprozess. Auch animierte Künstliche Intelligenz-Avatare, sogenannte virtual anchors – machen das Einkaufen erlebnisreicher und unterstützen menschliche Moderatoren/Verkäufer.
Gamification – wie Chinesen online Einkaufen
Mit Chinas sich schnell entwickelnder E-Commerce-Industrie kaufen immer mehr Menschen Dinge online, und viele chinesische Unternehmen haben das Einkaufserlebnis in ein Spiel verwandelt. Gamification ist nichts Neues, befindet sich aber weltweit erst im Anfangsstadium. Von den chinesischen Erfahrungen mit Gamification zu lernen, kann für europäische Unternehmen eine praktikable Option sein, um den Umsatz zu steigern, Vorreiter zu werden und sich von der Konkurrenz abzuheben, während sie ihre Kunden auf eine ansprechendere und effektivere Weise ansprechen.
Wie Gamification beim Einkaufen aussieht, zeigt eindrucksvoll das folgende Video:
Interaktives Online-Shopping in China – Unterhaltung vor Effizienz
Für viele Kund*innen im Westen muss der Kauf von Produkten so effizient wie möglich sein. Denn es geht darum, Zeit zu sparen. Damit man mit seinem Leben weitermachen kann. “Gehen Sie online, finden Sie die gewünschten Produkte, und legen Sie sie schließlich in den Warenkorb und gehen Sie zur Kasse”. Das ist ganz anders als in China. Hier ist das Online-Ökosystem ein hochkomplexes Geflecht aus Key Opinion Leadern, Livestreaming und Gamification. Das zieht die Kund*innen stundenlang in den Bann, während sie durch Produkte und Dienstleistungen stöbern. Online-Shopping ist zu einer nationalen Freizeitbeschäftigung geworden. Ein klarer Unterschied zwischen dem Westen und China ist, dass in China Shopping und Gaming integriert sind. Die Spiele und Algorithmen führen dazu, dass die Menschen stundenlang im Online-Shopping gefesselt sind. Die Kund*innen verbringen Stunden damit, zu spielen, Produkte zu entdecken und zu kaufen, die ihnen gefallen, oft in engem Kontakt mit ihren Freunden und Familien.
Beispiel – mobile, integrierte Bezahl-App steigert spielerisch grünes Verhalten
Alibabas “Ant Forest” ist wahrscheinlich eines der bekanntesten Beispiele für Gamification. “Ant Forest” ist ein Baumpflanz-Minispiel, das in der Alipay-App zu finden ist. Dabei zielt es darauf ab, einen kohlenstoffarmen Lebensstil zu unterstützen und die Umwelt zu schützen. Kund*innen und Spieler pflanzen ihre virtuellen Bäume, indem sie Dinge tun, die gut für die Umwelt sind. Wie zum Beispiel zu Fuß gehen, statt mit dem Auto zu fahren, E-Tickets statt Papiertickets zu kaufen oder Alipay für Transaktionen verwenden. Die virtuellen Bäume werden dann später in einigen der trockenen Regionen Chinas gepflanzt, wo sie einen Beitrag zur Umwelt leisten können. Bis zum Jahr 2020 hatte Ant Forest bereits 550 Millionen Teilnehmer und pflanzte mehr als 220 Millionen Bäume.
Ausblick – interaktives Online-Shopping in China
Online-Shopping gehört in China zum Alltag. Chinas Online-Shopping-Markt ist nicht nur der größte der Welt, sondern auch der innovativste. Viele glauben, dass Chinas E-Commerce-Sphäre einen Ausblick darauf bietet, wie die Zukunft des E-Commerce schließlich überall auf der Welt aussehen wird. Das muss nicht stimmen. Allerdings können die westlichen Online-Händler sicherlich von China inspirieren lassen. In China kann fast alles online gekauft werden, die Fülle der Auswahl ist unerschöpflich. Einfach zu bedienende Online-Seiten, mobile Apps und Bezahlsysteme haben das Wachstum des Online-Shoppings vereinfacht und vorangetrieben. Dazu kommt das Spielerische beim Online-Einkauf: Gamification ist der Schlüssel zum Erfolg.
Der aktuelle Beitrag ist eine Serie, die die Digitalisierung in China und das digitale Einkaufserlebnis in China beleuchtet:
- Digitales Einkaufserlebnis in China (1)
- Einkaufserlebnisse bei Shopping-Events in China (3)
- Livestream-Shopping in China (4)
- Social E-Commerce in China (5)
- KOLs – die neuen Verkäufer in China (6)
- Stationäre digitale Einkaufserlebnisse in China (7)
- Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte in China (8)