China ist dem westlichen E-Commerce Jahre voraus, dank Social Shopping oder Social E-Commerce. Denn der große Trend der letzten Jahre ist Shopping über Social Media. Warum ist Social Shopping so beliebt in China? Zum einen ist die Nutzung von Social Media ein integraler Bestandteil des Lebens der meisten Chinesen. Unterhalten, Freunde treffen und sich miteinander austauschen, aber auch Einkaufen erfolgt über Social Media. Wie funktioniert Social E-Commerce, die digitale Version des Einkaufsbummels über Social Media? Mit WeChat Stores oder WeChat-Miniprogrammen wird das Einkaufen zum digitalen Erlebnis. Aber wie kam es dazu, und kann der deutsche Handel davon lernen? Social E-Commerce in China.
Wenn Social Media auf E-Commerce trifft – Social E-Commerce
Social E-Commerce nahm in China Fahrt auf, als die traditionelle E-Commerce-Branche vor einem Engpass stand: Denn ein übermäßig gesättigter Markt, ein verschärfter Wettbewerb und steigende Kosten für die Neugewinnung von Kund*innen reduzierten die Gewinnmargen. Da erschien Social E-Commerce als geeignete Lösung. Seitdem erfreut er sich wachsender Beliebtheit und Vielfalt. Daneben hat der Aufstieg einer neuen Konsumentenschicht – der wohlhabenden, anspruchsvollen und gut vernetzten Millennials – dazu beigetragen, die E-Commerce-Revolution voranzutreiben. Da genau diese Gruppe traditionelle Werbung nicht mag, mussten alternative Wege gesucht werden, um Engagement zu zeigen und Verbindungen zu Kund*innen aufzubauen.
Social E-Commerce in China – die Fakten
Social E-Comerce in China lässt sich für folgende Fakten beschreiben:
- 91 % der Internet-Nutzer (ca. 989 Mio. Nutzer) in China haben einen Social Media Account. Jeder ist ca. 45 Minuten täglich in sozialen Netzwerken unterwegs. Davon 40 % mit seinem richtigen Namen.
- Der E-Commerce-Umsatz mit Livestreaming in China wird in diesem Jahr 300 Milliarden US-Dollar erreichen. Das sind ca. 12 % des gesamten E-Commerce-Umsatzes im Einzelhandel des Landes. Bis 2023 wird der Anteil am gesamten E-Commerce-Umsatz im Einzelhandel voraussichtlich 19,4 % betragen. Social Commerce macht 11,6 Prozent des Einzelhandels-E-Commerce-Umsatzes aus, der sich 2019 auf 186,04 Milliarden US-Dollar beläuft.
- Chinesische Social Media-Plattformen sind multifunktionaler und haben einen breiteren Zweck als ihre westlichen Pendants.
- Die einzigartige chinesische Social Media-Landschaft entwickelt sich ständig weiter
Social E-Commerce – was steckt dahinter?
Social E-Commerce setzt primär auf das soziale Erlebnis als auf das Einkaufen an sich. Vielmehr nutzt dieser das Engagement von Gruppenaktivitäten und den sozialen Austausch. Im chinesischen Social E-Commerce werden die Nutzer mit einem personalisierten Feed zu Produkten und einem Versprechen von weiteren Rabatten konfrontiert, wenn sie auf ihren sozialen Medien ein “Team” bilden können, das andere dazu bringt, mitzumachen und das gleiche Produkt zu kaufen. Sie können auch den Preis sehen, wenn sie sich entscheiden, nicht mit anderen zu kaufen, und sie können sehen, was andere kaufen. Die Ersparnis kann gering sein, aber für manche erheblich.
Social E-Commerce – Gamification
Social ECommerce-Anwendungen imitieren den sozialen Aspekt des physischen Einkaufserlebnisses. Die Anwendungen sind darauf ausgelegt, zur Unterhaltung zu scrollen. Intelligente Algorithmen lernen, was Kund*innen sehen möchten, basierend auf dem, was sie anschauen, mögen und mit dem sie Zeit verbringen. Natürlich bietet die Social E-Commerce-Plattformen auch Livestreaming zum direkten Kauf an. In jedem Livestream können Kund*innen direkt mit dem Moderator chatten und Fragen stellen oder Kommentare vergeben. Daneben bieten die Plattformen Elemente, die das ganze Erlebnis spielerisch gestalten. Zunächst einmal kann der Preis gesenkt werden, wenn man andere Kund*innen dazu bringen kann, gemeinsam mit einem zu kaufen. Außerdem gibt es zeitlich begrenzte Angebote, und es erscheinen ständig Pop-Ups, die zeigen, was andere zu einem bestimmten Zeitpunkt kaufen. Außerdem werden Kund*innen für das tägliche Einchecken mit Punkten belohnt, die in Rabattgutscheine umgewandelt werden. Darüber hinaus können Kund*innen weitere Rabatte erzielen, wenn Sie Bewertungen oder Kommentare zu z.B. Markenprodukten hinterlassen.
Social E-Commerce – Minispiele und tägliches Nudging
Innerhalb der Social E-Commerce-Plattformen gibt es auch Minispiele. Hier einige Beispiele zur Erläuterung, was diese Minispiele bewirken und wie sie den Trend des Gamification unterstützen. Kund*innen können unter anderem dort einen Mangobaum wachsen lassen. Wenn Sie entsprechend digital gepflegt haben und auch durch andere Aktivitäten genug Punkte auf der Plattform gesammelt haben, können Sie ein ganzes Paket mit echten Mangos zugesendet bekommen. Oder ein anderes Spiel wie z.B. auf der mobilen Bezahlplattform “Ant Forrest” von Ant Financials, gibt den Nutzern “Grüne Punkte” für Co2-freundliches Verhalten. Beim Erhalt von ausreichenden Punkte vergibt und die Nutzer einen Baum in der realen Welt pflanzen lässt. Ant Forrest stupst den Benutzer auch an (Nudging), sich daran zu erinnern, Punkte zu sammeln, da Kontakte und Freunde Punkte stehlen und sich gegenseitig die Bäume gießen können, was dem Spiel einen weiteren sozialen Aspekt verleiht.
Social E-Commerce – Nachahmung des physischen Einkaufserlebnisses
Chinesische Kund*innen können soziale Medien nutzen, um Fremde in Freunde, Freunde in Kunden und Kunden in Verkäufer zu wandeln. Das Konzept des Social E-Commerce stammt ursprünglich aus dem stationären Einkauf in Gruppen. Wenn eine Gruppe von Freunden stationär einkauft, beeinflussen sie sich gegenseitig in ihren Kaufentscheidungen. Dieses Einkaufsverhalten wird im Social E-Commerce nachempfunden. Die sich ständig weiterentwickelnden Social E-Commerce-Plattformen in China machen den gesamten Social Commerce-Prozess einfacher, authentischer, vertrauenswürdiger, bequemer und positiver. Sie ermöglichen es den Kund*innen alles zu kaufen, was sie möchten und auch direkt mit Marken interagieren. Mittlerweile sind die Plattformen ansprechender als traditionelle Einkaufserlebnisse. Auch dank innovativer Technologien wie Virtual Reality, Augmented Reality, KI-gesteuerte Chatbots und Spiele haben sie das Einkaufserlebnis verbessert.
Social E-Commerce – Beispiel WeChat
WeChat ist die beliebteste Social Media Plattform in China und hat mittlerweile rund 1,4 Milliarden Nutzer. Das sind mehr Menschen als in ganz Europa leben. Innerhalb des WeChat-Ökosystems finden sich sogenannte Mini-Programme. Das sind Mini-Apps, die auf der bestehenden Plattform und IT-Infrastruktur von WeChat aufbauen und auf die Kunden nahtlos zugreifen und sie nutzen können, ohne die WeChat-App verlassen zu müssen. Die Nutzer verwenden Mini-Programms anstelle von verschiedenen mobilen Apps, um etwa Kinokarten zu buchen, Essen zu bestellen, zu bezahlen und vieles mehr. Das macht sie zu einem vielversprechendem Kanal für Einzelhändler, um chinesische Kund*innen anzusprechen.
Social E-Commerce – Einkaufen ist den Chinesen wichtig
Das Gefühl, dass Einkaufen eher ein angenehmer Zeitvertreib als eine lästige Pflicht ist, ist bei chinesischen Kund*innen viel stärker ausgeprägt als bei westlichen Kund*innen. Chinesische Kund*innen sind auch engagierter, wenn es darum geht, sich über Produkte oder Dienstleistungen zu informieren, die sie kaufen oder in Anspruch nehmen möchten. Wenn sie auf der Suche nach Informationen sind, möchten sie sich nicht anstrengen. Im Gegenteil, Informationen sollen sofort verfügbar sein. Und zwar in einer Form aufbereitet, die für sie unmittelbar verständlich und gewinnbringend ist. Obwohl chinesische Kund*innen einen Nachmittag mit Schaufensterbummel genauso genießen wie alle anderen, schätzen sie das Erlebnis des stationären Einzelhandels weniger als die Verbraucher im Westen. Im Gegenteil der Online-Handel wird in China mittlerweile präferiert. Eine von PricewaterhouseCoopers (PwC) veröffentlichte Umfrage unter mehr als 15.000 Online-Käufern weltweit ergab, dass 75 % der Chinesen wöchentlich online einkaufen, verglichen mit einem weltweiten Durchschnitt von 21 %.
Social E-Commerce – ist die Zukunft des Einkaufens social?
Stellen Sie sich vor, Sie könnten 90 % Rabatt auf alles bekommen, von Erdbeeren über Möbel bis hin zu Kleidung. Aber dazu müssten Sie einen Kauf anstoßen und Ihre Freunde, Familie oder andere Social Media-Verbindungen einladen, mit Ihnen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu kaufen. Sie können Ihre Social Media-Plattformen nutzen und spezielle Gruppen bilden, um andere zu informieren. Damit diese auch das Schnäppchen sehen, das Sie sich ansehen. Und sie dazu bewegen, mit Ihnen zu kaufen. “Social Shopping” ist mehr als der klassische Gruppeneinkauf – es gamifiziert und sozialisiert das Einkaufserlebnis und ermutigt den Nutzer, sein eigenes Netzwerk zu nutzen, um die Preise zu drücken und zu senken.
Serie – Digitales Einkaufserlebnis in China
In einer Serie von Beiträgen werden wir das Digitale Einkaufserlebnis von verschiedenen Seiten beleuchten. Dabei gilt es aufzuzeigen, wie das digitale Einkaufen und das neue Einkaufserlebnis in China aussieht. Der Bogen spannt sich über die bekannten Online-Plattformen hin zu Handy-Apps, Social Shopping über soziale Medien, Influencer-Marketing, Livestream E-Commerce und Livestream-Shopping, die kontaktlose Bezahlung im Alltag und spezielles Retailtainment und Online-Shopping-Tage in China. Ein Ausblick auf das Einkaufen mit digitalen Sprachassistenten und auf Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte runden den Blick auf das digitale Einkaufserlebnis ab.
In diesem Zusammenhang erschienen sind bereits die folgenden Beiträge:
- Digitales Einkaufserlebnis in China (1)
- Interaktives Online-Shopping in China (2)
- Einkaufserlebnisse bei Shopping-Events in China (3)
- Livestream-Shopping in China (4)
- KOLs – die neuen Verkäufer in China (6)
- Stationäre digitale Einkaufserlebnisse in China (7)
- Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte in China (8)
- neuen Verkäufer in China (6)