Das Leben auf der ganzen Welt ändert sich durch den Ausbruch von Covid-19. China war das erste Land, wo die Pandemie ausbrach, und auch das erste Land, das die Auswirkungen der Pandemie eindämmen konnte. Während der Zeit der Pandemie hat sich das berufliche und private Leben in China verändert. Zudem hat die Digitalisierung mit einer ungewohnten Geschwindigkeit Einzug gehalten. Darüber hinaus hat sie sich auch in solchen Bereichen etabliert, die vorher nicht im Fokus standen. Welche Veränderungen sind das und welche Veränderungen werden nachhaltig sein? Können wir von diesen Veränderungen lernen und sie in unsere Digitalisierungsbemühungen einbeziehen? Digitalisierung im Handel in China.
Die neue Normalität in China – mehr digital und neue Geschäftsmodelle
Nach dem Abebben der Pandemie-Auswirkungen in China haben sich neue Verhaltensweisen und Anpassungen im beruflichen und privaten Leben etabliert. Hinzu gekommen sind auch neue digitale Einkaufsmöglichkeiten. Ebenso etablierten sich neue digitale Geschäftsmodelle in verschiedenen Wirtschaftszweigen.
Live-Streaming beim Einkauf
Zu Zeiten des Lockdowns und der Schließung von Einkaufszentren, Restaurants, Fast-Food-Ketten, stationären Geschäften und Schulen begann der Boom des branchenübergreifenden Live-Streaming. Die Nachfrage nach Live-Streaming und Einkaufen über Live-Streaming hält weiter an. Zudem hat das Live-Streaming einen neuen Einkaufskanal für Hersteller und Markenunternehmen geschaffen. Kund*innen werden direkt mit dem Hersteller vernetzt und kaufen direkt vom Hersteller ein.
Über Live-Streaming und die Nutzung in Asien finden sich detaillierte Einblicke in den Beiträgen “Live-Online Shopping-Spaß in Asien“, “Livestream Einkaufen – Trend mit Zukunft?” oder “Einkaufen im Live-Stream mit der Assistentin LiSA“.
Live-Streaming-Anwendungen bieten mittlerweile die E-Commerce-Anbieter an, wie zum Beispiel Alibaba aber auch Social Media-Anbieter. So können Händler und Marken diese Plattformen nutzen, um per Live-Stream Produkte zu verkaufen. Ein wichtige Rolle beim Live-Stream Shopping nehmen die KOLs (Key Opinion Leader oder auch Influencer) ein. Das sind diejenigen, die durch das Live-Stream Shopping führen und mittlerweile eigene Live-Streaming Shows anbieten.
Online-Bestellungen – für alles
Im Allgemeinen sind chinesische Kund*innen bereits viel eher geneigt, ihr Mobiltelefon für alle Arten von Einkäufen zu benutzen. Doch während der Corona-Pandemie stieg der E-Commerce und der Online-Kauf von Lebensmitteln um dreistellige Zahlen. Diese Tendenz hat nicht nachgelassen. Und sie hat sich auch auf andere Einkaufsbereiche ausgedehnt. Selbst wenn Kund*innen nicht online einkaufen, besuchen sie Webseiten, um sich zu vergewissern, dass das, was sie kaufen möchten, in dem Geschäft ist, in das sie gehen wollen, um eine unnötige Einkaufsreise zu vermeiden. Online-Transparenz der Lagerbestände der Geschäfte wird für die Einzelhändler überlebenswichtig sein – in China und auf der ganzen Welt.
Bestellungen über Webseite und Lieferung
In Zeiten der Corona-Pandemie erfolgte ein Großteil der Käufe über E-Commerce. Eng damit verbunden ist die prompte und sofortige Lieferung und Bereitstellung der Ware, sei es als Direkt-Lieferung (Click&Deliver) oder Abholung (Click&Collect). Dabei erfordert der zeitnahe Konsum eine hohe Effizienz in der Zustellung oder Abholung. Denn die Erwartungen der Kund*innen sind höher denn je.
Die Lieferung innerhalb von 30-60 Minuten ist mittlerweile in China für alle Produkte und Käufe üblich geworden, von der Eiscreme und Medikamenten bis hin zu Jeans und iPhones. Meituan, eine der größten Lieferplattformen Chinas, hat sogar eine Lieferzeit-Versicherung eingeführt. Falls Verzögerungen eintreten erhalten die Kund*innen anteilige Rabattierungen.
Customer Convenience auch beim stationären Einkauf
Zwar freuen sich alle auf eine Zeit nach der Pandemie, in der der stationäre Einkauf wieder möglich ist. Doch die Kund*innen bleiben sehr vorsichtig, insbesondere in der ersten Zeit der Lockerung der Beschränkungen. Sie versuchen den Kontakt mit fremden Menschen so gering wie möglich zu halten, auch beim stationären Einkauf.
In dem Zusammenhang bieten stationäre Händler den Kund*innen mittlerweile größtmögliche Annehmlichkeiten und einen digital unterstützten Kaufgenuss. “Customer Convenience” ist das Stichwort. Dabei geht es um das Einkaufserlebnis und das Einkaufen mit digitalen Möglichkeiten.
Zum einen kann alles individuell produziert, bestellt und geliefert werden. Zum anderen lassen sich im Geschäft mithilfe des Mobiltelefons Artikelverfügbarkeiten prüfen und Informationen über Produkte abrufen oder auch Artikel, die nicht im Geschäft sind zu bestellen. Weiterhin kann auch kontaktlos bezahlt werden. Und das alles mithilfe von digitalen Medien. Mittlerweile werden in China ein Großteil des stationären Einkaufs durch das Mobiltelefon unterstützt.
Alles wird sozial – auch das Einkaufen
Aktuell sind Informationen zu Verbraucherthemen in China aus sozialen Netzwerken genauso wichtig wie Informationen aus Fernsehen und Printmedien, manchmal sogar wichtiger. Die sozialen Netzwerke haben nicht nur einen starken Einfluss auf die Entscheidungen der chinesischen Kund*innen, sondern werden mittlerweile sogar als die Trend-Macher der Gegenwart angesehen.
Chinesische Kund*innen kaufen Artikel häufiger, wenn es von Freunden oder Bekannten in sozialen Netzwerken empfohlen wird. Es hat sich gezeigt, dass Konsumenten den offiziellen Produktinformationen weniger Vertrauen entgegenbringen als den Angaben, die sie in diversen sozialen Netzwerken finden. Mittlerweile bauen viele Marken über soziale Medien ihr Markenimage auf. Anfang 2020 waren es über 15 Luxusmarken aus aller Welt – unter ihnen Gucci und Yves Saint Laurent -, die in den sozialen Medien wie RED oder Douyin auftauchten.
Zum “Social Shopping” haben wir bereits in dem Beitrag “Social Shopping statt Social Distancing” geschrieben.
Lernen von China – digitale Möglichkeiten
In den schwierigen Zeiten der Pandemie geht es den Menschen vor allem darum sich selbst und ihre Gesundheit zu schützen. Diesen Schutz zu gewährleisten werden in vielen Lebensbereichen fortgeschrittene Technologien eingesetzt. Auch gerade im Handel und beim Einkaufen hat dies zu einer zunehmenden Digitalisierung geführt.
Was wird sich davon nachhaltig und langfristig durchsetzen und was können wir davon lernen?
- Live-Streaming Einkaufen erschließt ein enormes Verkaufspotenzial: Während der Pandemie erreichte das Live-Streaming Einkaufen einen großen Erfolg. Begünstigt wurde das durch die Verbindung von Unterhaltung und Kommerz sowie die Möglichkeit Verkäufer*innen als Affiliate- oder Kommissionsverkäufer einzusetzen.
- Alles wird Social: Wahrscheinlich werden die Kund*innen beim Besuch von stationären Geschäften noch längere Zeit zurückhaltend bleiben. Als wirksames Mittel und Medium, um das Geschäft zu den Kund*innen zu bringen, ist der Verkauf über soziale Medien. Zwar sind Social-Media-Plattformen außerhalb Chinas noch nicht so ausgereift wie WeChat, aber auch hiesige Social Media-Plattformen bieten vielversprechende Funktionalitäten zum Verkauf über Social Media.
- Omnichannel-Verkauf: Basierend auf den neuen Einkaufs- und Verbrauchsszenarien in Zeiten der Pandemie, wird das online-basierte Einkaufen eine unterstützende Rolle für das stationäre Einkaufen haben. Marken und Händler müssen ihre Online-Angebote stärken. Und um zu verstehen, was Kund*innen suchen, kaufen und teilen, müssen sie ihr Online- und Offline-Geschäft integrieren.
- Customer Convenience durch das Mobiltelefon: Dabei steht in Zukunft das einfache und bequeme Einkaufen im Fokus. Diese Entwicklung wird sowohl durch Technologien wie das Mobiltelefon als auch von den Wünschen der Kunden getrieben. Agentenbasiertes Online-Einkaufen, Bestellungen über digitale Sprachassistenten, Informationsabfrage über Produkte und Artikel, bequemes und einfaches Bezahlen – alles unterstützt durch das Mobiltelefon – zahlt auf die Verbesserung der Customer Convenience ein.
Gut gewappnet für die neue Normalität
Unabhängig von der gewählten Strategie gibt es kein “Zurück zur Normalität”. Es gibt nur die neue Normalität, die vor uns liegt. Dazu müssen Einzelhändler ihre Geschäftsmodelle an die erwarteten Veränderungen im Verhalten ihrer Kund*innen anpassen. Die Händler, die dies tun, werden für eine Erholung am besten positioniert sein.