“Need for Speed” – so nennen Online-Händler den Trend, Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs immer schneller auszuliefern. Ob sechzig Minuten, 15 Minuten oder 10 Minuten Lieferzeit, der Kunde wird wieder zum König und freut sich auf kurze Lieferzeiten. Die Liefergeschwindigkeit spielt im Online-Lebensmittelgeschäft eine immer größere Rolle. Ganz klar wird sie zurzeit zum Wettbewerbsfaktor. Denn kleine Start-ups drängen auf den Markt. Dabei liefern sie nicht nur schneller, sondern auch günstiger als etablierte Online-Lebensmittelhändler. Lebensmittel-Lieferung in weniger als 10 Minuten. Worauf kommt es an? Wer sind die neuen Online-Lieferdienste? Wie ist eine Lieferzusage von unter 10 Minuten möglich? Was machen die neuen Lebensmittel-Sofortlieferdienst anders?
Online Lebensmittel bestellen und nach Hause liefern lassen
Warum bestellen Kund*innen Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs online und lassen diese direkt an die Haustüre liefern? Die Vorteile liegen auf der Hand: Erstens eine enorme Zeitersparnis beim Einkaufen und keine Mühen mehr. Denn wer Lebensmittel Online bestellt, spart die Fahrt oder den Gang zum Geschäft, die Suche im Geschäft und nicht zuletzt das Anstehen an der Kasse, die Heimfahrt und das Ein- und Ausladen des Einkaufs. Zweitens erfolgt das alles bei gleicher Qualität und gleichen Preisen und für eine Liefergebühr von wenigen Euro. Drittens, Online bestellte Lebensmittel sind in der Regel frisch. Denn sie werden zunehmend in eigenen Lagern aufbewahrt und kommissioniert. Diese Lager sind automatisiert, gekühlt und vor Sonneneinfall geschützt. Die Ware wird frisch geliefert.
Also kein Wunder, dass immer mehr Kund*innen und Haushalte Lebensmittel und andere Artikel Online bestellen und zunehmend das Angebot von Online-Supermärkten nutzen. Dem entsprechend gibt es mittlerweile viele Lieferdienste – auch von den großen Lebensmittelhändlern -, die frische Lebensmittel bis zur Haustür liefern. Einen aktuellen Überblick über die größten Lieferdienste für frische Lebensmittel in Deutschland bietet der Online-Lebensmittel Checker.
Andere innovative Retail-Konzepte haben in den Beiträgen “Innovative Handelskonzepte – Kiezkaufhaus & Typy-Supermarkt” und “Was ist die Zukunft des Einkaufens – zwischen Offline und Online?“.
Lebensmittel-Lieferung in weniger als 10 Minuten – Konzentration auf das Wesentliche
Wer kennt das nicht? Rückkehr von einer Dienstreise und der Kühlschrank ist leer. Auch Vorräte sind nicht mehr vorhanden. Oder die Familie hat plötzlich Lust auf ein anderes Abendessen als geplant. Was tun? Das Einkaufen im örtlichen Supermarkt kann anstrengend und zeitaufwendig sein oder zu spät sein. Da kommt die Lösung: Lebensmittel online bestellen und viel Zeit und Mühen sparen.
Online-Lebensmittelshops bieten in vielen Fällen eine ähnlich große Produktauswahl wie der Markt vor Ort. Kund*innen können Obst und Gemüse einkaufen, gekühlte Lebensmittel bestellen und selbst Tiefkühlwaren im virtuellen Einkaufskorb platzieren. Nach der Lieferung können sich Kund*innen auf das Wesentliche konzentrieren – die Zubereitung des Essens.
Entwicklung im deutschen Online-Lebensmittelmarkt
Der Eintritt und die Entwicklung im deutschen Online-Lebensmittelmarkt ist schwierig: Kein Wunder, denn das Preisniveau in Deutschland ist niedrig. Auch sind Kund*innen nicht gewillt hohe Gebühren für Lieferung und Zustellung zu bezahlen. Zudem sind Supermärkte und Discounter in den Großstädten meist innerhalb weniger Minuten erreichbar. Das zeigt auch die Entwicklung beim Online-Marktführer Rewe. Das Wachstum verläuft linear und nicht wie erwartet exponentiell. Allerdings verläuft die Entwicklung seit der Corona-Krise anders. Die Angst vor Ansteckung beim Einkaufen von Lebensmitteln speziell von Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse und anderen Artikeln des täglichen Bedarfs im stationären Geschäft haben das Bestellvolumen im Internet erhöht.
Neue Player drängen auf den Online-Lebensmittelmarkt
Gerade in der aktuellen Zeit bringen sich die großen Anbieter Rewe, Amazon Fresh, Picnic und andere für den erwarteten Wachstumsschub in Stellung und bauen ihre Kapazitäten aus. Aber daneben drängen neue Player aus dem Ausland in den Markt, wie der tschechische Lebensmittelhändler Rohlik und innovative Start-ups aus Deutschland. Erklärtes Ziel dieser neuen Player ist die Marktführerschaft im deutschen Online-Brot-und-Butter-Geschäft.
Vorbilder aus England und USA drängen auf den Online-Lebensmittelmarkt
Internationale Vorbilder wie etwa in den USA goPuff oder in Großbritannien bzw. London Weezy zeigen, dass ein solcher Dienst sehr gefragt ist. Hervorzuheben sind vor allem ihre kurzen Lieferzeiten:
Weezy ist ein in London ansässiges Start-up, das die nötigsten Lebensmittel in wenigen Minuten, d.h. innerhalb von 15 Minuten nach Hause liefert. Das Start-up wurde 2020 als Reaktion auf den plötzlichen Nachfrageanstieg von coronabedingten Schließungen gegründet. Weezy ist allerdings mehr als ein Kurierdienst, sondern der neue lokale Online-Supermarkt. Es gibt es keine Zwischenhändler, die Lebensmittel werden selbst eingekauft und in eigenen Lagerhäusern gelagert. Im Gegensatz zu jedem anderen Supermarkt liefert Weezy im Durchschnitt innerhalb von 15 Minuten und benutzt dabei nur elektrische Mopeds, Fahrräder und sogar Auslieferer auf Rollschuhen.
Auch zu den Vorbildern gehört das amerikanische Start-up goPuff, das mit dem Slogan “daily essentials, delivered in minutes” wirbt. Im Sortiment hat goPuff tausende von Artikeln des täglichen Bedarfs, die innerhalb von 30 Minuten nach Bestellung angeliefert werden. Pro Lieferung werden für den Service 1,95 USD berechnet. Aktuell übernimmt das schnell wachsende Unternehmen immer mehr stationäre Läden in Städten, um diese zu Stadtlägern umzufunktionieren. So kann von dort aus das komplette goPuff-Softiment schnell geliefert werden. goPuff ist mittlerweile in 500 amerikanischen Städten zu finden.
Gorillas – Lebensmittel-Lieferung innerhalb von 10 Minuten
In deutschen Städten hat vor einiger Zeit das Start-up Gorillas seine Geschäftstätigkeiten aufgenommen. Ähnlich dem Vorbild Weezy und goPuff liefert es Lebensmittel zu Einzelhandelspreisen nach Hause oder zu jedem gewünschten Standort. Und das Ganze innerhalb von zehn Minuten. Genauso wie die Amerikaner setzt auch Gorillas auf ein eigenes Lager. Im Sortiment findet sich alles, was bei einem schnellen Einkauf im Supermarkt benötigt wird: Obst und Gemüse, Joghurt, Brot, Aufstriche, Eier, Nudeln, Müsli und mehr. Für den Einkauf wird eine App genutzt und dort die Bestellung aufgegeben. Kurz nach der Bestellung erhalten die Kund*innen eine Bestätigung mit der voraussichtlichen Lieferzeit von unter 10 Minuten. In der App lässt sich die Lieferung auf dem Stadtplan live bis zum Eintreffen verfolgen. Die Preise sind ähnlich zu denen im Einzelhandel, einen Mindestbestellwert gibt es nicht. Eine Lieferung kostet bei Gorillas 1,80 Euro.
Flink – der Einkauf geliefert in 10 Minuten
Auffallend ähnlich wie Gorillas ist das Angebot von Flink, bis hin zur Höhe von Lieferkosten und Stundenlohn für die fest angestellten Kuriere. Hervorgegangen ist Flink aus dem Hamburger Start-up Pickery, das seine Kuriere noch in lokale Rewe-Märkte zum Einkaufen geschickt hatte. Wer bei Flink bestellen möchte, muss das genauso wie bei Gorillas mit der Smartphone-App machen. Über die Webseite funktioniert die Bestellung nicht. Das Sortiment umfasst 2.000 Produkte, aber auch die Kategorien ähneln denen von Gorillas: Obst und Gemüse, Wurst und Käse, Veggie, Breakfast in Bed, Netflix & Chill, Junge Eltern, Nudeln, Reis und Getreide, Health & Beauty.
Stash – Blitzlieferdienst in der Schweiz
Das Zürcher Start-up Stash reiht sich in die gleiche Reihe wie Gorillas und Flink ein. Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs liefert Stash in weniger als 10 Minuten nach Bestellung zum Kunden. In Zürich gestartet sind nun mittelgroße Städte in der Schweiz im Fokus der Expansion. Das Besondere bei Stash und die Gründe für die Blitzlieferung sind: Erstens das begrenzte Sortiment mit circa 500 Artikeln. Die Preise der Artikel liegen auf Supermarktniveau, die Liefergebühr beträgt 3,90 Schweizer Franken. Und zweitens die Nähe des Lagers – so wie der Firmenname Stash (zu Deutsch Lager oder Geheimversteck) es sagt – zum Kunden. Die selbst gesteckten Zeitlimits von unter zehn Minuten habe man seit dem Start gut einhalten können, sagt der CEO von Stash: “Bis jetzt ist es uns gelungen, stets in fünf bis acht Minuten auszuliefern. Die schnellste Lieferung war in 212 Sekunden beim Kunden.”
Neben Stash finden wir in der Schweiz noch ähnliche Ansätze bei Migros unter dem Namen heymigrolino und Valora unter dem Namen Avec Now.
Rohlik – Konkurrenz aus Tschechien
Als Konkurrenz zu den Online-Lieferdiensten von Rewe, Picninc, Getnow bis hin zu Amazon Fresh in Deutschland positioniert sich Rohlik. Unter dem Namen “Knuspr” steht der Deutschland-Start bevor. Hinter “Knuspr” steht das tschechische Liefer-Start-up Rohlik, das seit 2014 sehr erfolgreich in Tschechien und Ungarn erfolgreich ist. Vor der Expansion nach Deutschland erfolgte der Markteintritt in Österreich unter dem Namen “Gurkerl“: Das Portfolio umfasst circa 8.000 Artikel und vereint die breite Produktpalette eines Vollsortimenters mit der hohen Qualität und Frische des Bauernmarkts. Mit Frischwaren wie Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch, Milchprodukte und Backwaren stehen jene Produkte im Zentrum, die die Kundenzufriedenheit nachweislich am meisten beeinflussen. Dabei bezieht “Knuspr” ein Großteil seines Sortiments direkt von Herstellern und Landwirten, nicht von Groß- oder Zwischenhändlern.
Rohlik arbeitet mit einem ähnlichen Konzept wie Picnic, das auch in Mönchengladbach, Krefeld, Essen, Duisburg und Gelsenkirchen beliefert. Bestellungen werden online eingegeben, die Ware in einem Hub zusammengelegt und zur Auslieferungsstelle gebracht. Von dort aus liefern eigene Zusteller die Ware zu den Kunden.
Lebensmittel-Lieferung in weniger als 10 Minuten – der Markt ist in Bewegung
Neben den oben genannten Marktkonkurrenten zieht der Erfolg von goPuff in den USA weitere Start-ups auf den Plan, die das Marktsegment besetzen wollen, wie FridgenoMore oder Duffl. Aber auch in Deutschland finden sich Weitere, die den Markteintritt wagen, wie zum Beispiel Bring in Berlin oder GetFaster in Düsseldorf. Andere in Deutschland starten einen neuen Anlauf und wollen von der wachsenden Nachfrage profitieren, wie zum Beispiel Bringboo. Auch in Frankreich macht dieses Modell Schule. In Paris bietet seit Anfang des Jahres Cajoo einen erfolgreichen Lieferdienst an. Zusätzlich bietet der Beitrag “Der Markt für ultraschnelle Lieferungen wächst” einen Überblick über weitere europäische Anbieter.
Quick Commerce – Lebensmittel-Lieferung in weniger als 10 Minuten
Die nächste Stufe des E-Commerce oder Online Commerce, das ist der Quick Commerce oder Q-Commerce. Weitere Bezeichnungen lauten Last-Mile-Delivery, Instant-Delivery, On-Demand-Delivery. All diesen Begriffen gemeinsam ist die schnelle oder ultraschnelle Lieferung von Lebensmitteln und Artikel des täglichen Bedarfs zu den Haushalten. Während klassischer E-Commerce vor allem auf eine möglichst große Auswahl von Produkten setzt, um den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, punktet Q-Commerce vor allem mit besonders schnellen Lieferzeiten punkten.
Denn Zeit ist Geld, vor allem Online-Händler wissen das. Kann man schneller liefern als die Konkurrenten am Markt, ist das für Kund*innen ein wichtiger Grund zu bestellen. Dafür zahlen sie auch gerne mal einen Aufpreis, um die bestellten Artikel schneller zu erhalten. Der aktuelle E-Commerce-Trend macht sich das nun zunutze. Die in diesem Segment agierenden Start-ups nutzen den Trend aus und sind in aller Munde. Ob sie wachsen und langfristig überleben werden wird sich noch zeigen. Es wäre zu wünschen, dass der aktuelle Trend anhält. Es ist ein Größengeschäft: Denn die minimale Lieferzeit kann nur dann realisiert werden, wenn aus einem Lager nur einen Radius von zehn E-Bike-Minuten bedient wird. Ein Kurier kann daher etwa dreimal so viele Fahrten machen wie ein Lieferbote aus einem Restaurant – zumal Wartezeiten am Restaurant wegfallen. Das Geschäftsmodell ist gut durchdacht. Die Preise für das Sortiment sind fast gleich wie die im Supermarkt in der Innenstadt. Die Zustellkosten und -preise sind gering. Allerdings ist das keine Alternative für den Großeinkauf für die Familie oder den Wochenendeinkauf. Im Fokus steht die schnelle und kleine Bestellung zwischendurch für einen kleinen Warenkorb.