In China ist Livestream-Shopping und Livestream-E-Commerce ein schnell wachsendes Geschäft, das auf ca. 63 Milliarden USD geschätzt wird. Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Lockdowns kommt der Trend nun in den USA an. Denn die Vorteile einer direkten Live-Präsentation für mögliche Kund*innen sind groß: Rebecca Minkoff sagt, dass in der Regel jedes von der Marke produzierte Live-Video – egal ob auf Amazon oder Instagram veröffentlicht – einen 20-prozentigen Anstieg der Besucherzahlen auf ihrer Website generiert. Mittlerweile werden stationären Einzelhändlern und Marken eine Fülle von Plattformen zum Ausprobieren angeboten. Google, YouTube, Amazon, Instagram und Facebook starteten alle Live-Shopping-Angebote. Und die von Risikokapitalgebern finanzierten Startups NTWRK, Popshop Live, ShopShops, Moda Operandi und andere richten sich noch an ein Nischenpublikum. Wie entwickelt sich Livestream-E-Commerce ausserhalb Chinas? Welches Ökosystem, welche Technologiepartner und welche Dienstleister stehen dahinter? Ist die Zukunft des E-Commerce – Livestream-Shopping?

Wie funktioniert Livestream-Shopping

Livestreaming ist wie Teleshopping, Facebook Live und E-Commerce-Plattform kombiniert in einer Anwendung oder App. Diese Art zu verkaufen und während des Einkaufens zu interagieren erlebt einen unglaublichen Boom. Es gibt zwei Arten von Livestreams: In-Shop und Key Opinion Leader-Livestreams. In-Shop Livestreams finden sich auf den Verkaufsseiten der Marken und Unternehmen. Nur wenn Kunden gezielt die Marke oder das Produkt suchen, werden sie auf solche Streams aufmerksam. Im Gegensatz gibt es KOL-Livestreams. Hier bezahlen Marken sogenannte Key Opinion Leader (KOL), damit diese ihre Reichweite auf sozialen Plattformen nutzen, um Produkte zu verkaufen.

Livestream-Shopping – Boom in China

In China wuchs die Zahl der Livestream-E-Commerce-Sessions im ersten Quartal 2020 auf vier Millionen. Der Grund dafür sind die erfolgreichen Marken und Plattformen wie Taobao Live, Kuaishou und Pinduoduo.

Dabei begann es im Jahr 2016. Da fügte der chinesische Gigant Alibaba Livestream-Funktionen zu seinem Online-Shopping-Portal Tmall und Taobao hinzu. Seitdem ist die Nachfrage nach Livestream-Shopping über die Taobao-Plattform ständig gestiegen. Dazu stellte ein Bericht von Deloitte, der China Chamber of International Commerce und Alibabas AliResearch fest: Insgesamt sind die Produktaufrufe auf Taobao Live im Jahr 2019 um 309 % auf 35,03 Millionen gestiegen sind. Dies steht im Vergleich zu 8,55 Millionen im Jahr 2018. Und diese Zahlen sind im Laufe des Jahres 2020 noch einmal sprunghaft angestiegen.

Über Livestream-Shopping in China und auch grundsätzlich wurde in den Beiträgen “Live-Online Shopping-Spaß in Asien” und “Livestream Einkaufen – Trend mit Zukunft?” berichtet.

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Livestream-Shopping in Asien

Weniger stark war die Entwicklung außerhalb Chinas, wobei auch in anderen Ländern Südost-Asiens Marken wie Lazada und Shopee Livestream-Elemente in ihre Online-Auftritte eingebaut haben.

Zukunft des E-Commerce – Livestream-Shopping in den USA

In anderen Regionen, wie z.B. Nordamerika, begann dieser Trend etwas später an Fahrt aufzunehmen. Im Juli 2020 startete Googles hauseigener Startup-Inkubator Area 120 das mobile Shoploop. Es ermöglicht Kund*innen neue Beauty- und Modeprodukte zu entdecken, indem sie durch 90-Sekunden-Videos scrollen.

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Zwei Monate später startete The Lobby, ein von First Round Capital unterstütztes Startup, einen ähnlichen Video-basierten Marktplatz mit über 30 Boutique-Marken. Dabei werden die Produkte über kurze Videos verkauft, die von den modischsten Influencern der neuen Generation in den USA erstellt wurden.

Livestream-Shopping in den USA mit Popshop Live und Glamhive

Popshop Live – ein Start-up in den USA – wurde von Danielle Li gegründet. Es ermöglicht Verkäufern, ihren eigenen Shopping-Kanal auf der Plattform zu erstellen und zu hosten. Das Unternehmen betont, dass es jedem Unternehmen möglich ist, Livestreaming-Events auf seiner Plattform einzurichten. Popshop Live stellt den Händlern und Marken die Tools bereit, die sie für den Erfolg benötigen. Dazu gehören Echtzeit-Bestandsmanagement, Gamification-Funktionen, Echtzeit-Performance-Statistiken und Support. Insgesamt alles Funktionen und Hilfsmittel, um sich in der neuen Welt des Livestreaming-Einzelhandels zurechtzufinden.

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Livestream-Shopping in den USA mit Glamhive

In diesem Zusammenhang hat auch Glamhive Software entwickelt, die es ermöglicht, mit Stylisten überall auf der Welt zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen hat sich bisher auf Gesundheits- und Schönheitsmarken spezialisiert und wird von der Promi-Stylistin Tara Swennen und Glamhive-Gründerin und CEO Stephanie Sprangers geleitet. Ihr erstes digitales Event, der Glamhive LIVE Style Summit, war ein überwältigender Erfolg. Später folgte diesem ein weiterer ganztägiger Event namens Glamhive Digital Summer Bazaar, einer digitalen Konferenz mit drei Tracks, 32 Panels, mehr als 100 verschiedenen Sprechern und “Master Classes”.

“Die Vision von Glamhive ist es, persönliches Styling für jeden und überall zugänglich zu machen, und unsere digitalen Events sind eine wunderbare Erweiterung dessen. Zum allerersten Mal können Menschen, die Mode- und Beauty-Enthusiasten sind oder in der Branche arbeiten, von den Besten der Branche lernen”, so Sprangers.

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Livestream-Shopping hilft chinesischer Marke Forest Cabin

Und ein weiteres Beispiel aus dem Livestream-Shopping Markt ist die in Shanghai ansässige Kosmetikmarke Forest Cabin. Aufgrund des Corona-Virus musste sie etwa die Hälfte ihrer 337 Geschäfte in ganz China schließen. In die Geschäfte, die geöffnet blieben, gingen nur wenige Käufer. Der Gründer Sun Laichun erwartete einem monatlichen Verlust von bis zu 4,26 Mio. USD. Weiterhin sah er einen möglichen Konkurs in weniger als zwei Monaten voraus. Nun musste die Marke, die zuvor 75 % des Umsatzes in ihren stationären Geschäften erzielt hatte, schnell einen Weg finden, diesen ins Online-Geschäft zu verlagern.

Daher entschied sich Forest Cabin dafür, seine Filialmitarbeiter im Livestreaming zu schulen. Die Marke schulte 1.600 Verkäufer darin, wie man einen Livestream auf Taobao Live veranstaltet. Schon bald kamen etwa 3.000 neue Kund*innen pro Tag hinzu, statt der durchschnittlich üblichen 1.000 Kund*innen. Sun selbst machte mit und moderierte eine zweistündige Sitzung am Valentinstag vor mehr als 60.000 Zuschauern. Am Ende hatte er fast 400.000 Flaschen Kamelien-Feuchtigkeitsöl verkauft.

Und in nur 15 Tagen übertraf der Umsatz von Forest Cabin den des gleichen Tages im Vorjahr um 45 %. Während der Online-Verkauf vorher nur etwa 25 % des Umsatzes von Forest Cabin ausmachte, sind es jetzt 90 %. Der Erfolg von Forest Cabin ist kein Einzelfall. Sowohl kleine als auch große Einzelhändler haben aus der Not heraus auf Livestreaming-E-Commerce gesetzt und damit eine potenziell sehr lukrative neue Einnahmequelle entdeckt. Also die Zukunft des E-Commerce – Livestream-Shopping.

Große Brands arbeiten an ihrem Community-Engagement mit Livestream-Shopping

Auch große Modebrands, Kosmetikmarken und Einzelhandelsunternehmen arbeiten vermehrt mit Livestream-Shopping. Auch sie sehen die Zukunft des E-Commerce – Livestream-Shopping:

  • Monki, das zu H&M gehört, ist eine Marke, die mit Livestreaming-E-Commerce experimentiert hat. Damit verbindet die Marke die Konversation und Inspiration mit dem Kunden rund um die Modeauswahl mit der Möglichkeit, das Gesehene zu kaufen.
  • JCPenney hat eine Livestreaming-Shopping-Serie namens JCPLive auf seiner Website, in YouTube und über Facebook Live für die Feiertage gestartet. Aufgeteilt in verschiedene Episoden, wird jeder Stream von verschiedenen JCPenney-Mitarbeitern sowie Influencer-Gästen mit einem Fokus auf verschiedene Produktkategorien aus dem JCPenney-Angebot moderiert.
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  • Nicht zuletzt hat sich L’Oréal mit der Livestream-App Livescale zusammengetan, um Livestreams für einige seiner Marken anzubieten, darunter Urban Decay und Lancome.
  • Weitere Marken sind Tommy Hilfiger und Levi’s, die Shoppable-Livestreaming-Events durchgeführt haben, bei denen Moderatoren mit Kunden zusammenkommen, um Produkte zu präsentieren und zu diskutieren und zu kaufen.
  • Und am Ende des Spektrums hat Burberry nun auch Pläne angekündigt, seine Frühjahr/Sommer 2021 Modenschau per Livestream über Twitch zu übertragen, eine Plattform, die traditionell mit Videospiel-Livestreaming in Verbindung gebracht wird.

Hero – einer der größten Namen im Livestream-Shopping

Angeblich ist Hero die Nummer eins unter den virtuellen Verkaufs-Apps. Denn das Unternehmen bietet eine Reihe von Funktionen für den Verkauf per Video, Chat und Livestreaming. Dabei verbindet die App das Ladenpersonal mit den Kund*innen, um ihnen bei ihren Einkäufen zu helfen. Und dies kann über einen Chatbot geschehen, in dem sie Fragen beantworten, weitere Informationen teilen und Bilder/Videos senden können. Aber Hero ermöglicht auch virtuelle Einkaufsberatungen in Echtzeit, bei denen die Mitarbeiter sehen können, was die Kund*innen kaufen und Empfehlungen geben. Dann gibt es noch die Livestream-Videoanrufe. Dabei kann die App auf den Geräten der Mitarbeiter installiert werden. So ermöglicht es den Mitarbeitern ruhige Zeiten im Laden durch Live-Videoanrufe mit Kunden in Online-Verkäufe zu verwandeln.

Und das ist nicht nur ein “Nice-to-Have”. Im Gegenteil, Hero berichtet, dass Kund*innen nach einem Videogespräch mit Mitarbeitern mit 20-fach höherer Wahrscheinlichkeit einen Kauf tätigen. Und einer von drei Kund*innen geht nach einer Interaktion über Hero in den Laden. Darüber hinaus geben die Kund*innen bis zu 70 % mehr aus. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Hero mit einer Vielzahl von namhaften Marken zusammenarbeitet. Darunter finden sich Nike, Levi’s, Deciem, Chloe und auch Ted Baker.

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Vor kurzem hat Hero seine Live-Commerce-Fähigkeiten mit Shoppable Stories erweitert. Damit können Store-Mitarbeiter kurze Shoppable-Videos aufnehmen, die auf der Website oder der Produktseite einer Marke erscheinen können. Sie können dann die Produkte einkaufen oder um einen Videoanruf oder einen Chat mit dem Personal bitten.

Neben dem bereits erwähnten Hero gibt es Go Instore, das ein ähnliches Angebot hat. Es arbeitet mit Unternehmen wie Samsung und Swarovski zusammen, um die Mitarbeiter in den Geschäften per Live-Video mit den Kunden zu verbinden.

ShopShops verbindet chinesische Kund*innen mit US-Marken und -Händlern

ShopShops wurde 2016 auf den Markt gebracht und ist eine Plattform für den Verkauf per Livestream direkt aus dem Geschäft. Sie hilft Marken, Events in ihren physischen Räumen zu veranstalten, oft nach Geschäftsschluss, mit Moderatoren, die Produkte direkt aus dem Laden präsentieren und darüber sprechen.

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Zukunft des E-Commerce – Livestream-Shopping

Livestream-Shopping oder streamed E-Commerce kann als Einführung einer Marke und eines Produkt auf eine Weise dienen, die weitaus informativer ist als das Ablesen von oder Ansehen eines Bildschirms im Online-Shopping. Präsentatoren oder Verkäufer haben nicht nur Platz, um mehr Informationen zu teilen, sondern können auch Fragen über soziale Medien oder einen Chat entgegennehmen, um potenziellen Kund*innen zu sagen, was sie wissen wollen. Wenn eine Marke in der Lage ist, die Fragen eines Kunden zu beantworten, ihn in seiner Kaufentscheidung zu bestärken  und  ihm die greifbaren Vorteile eines Kaufs aufzuzeigen, dann wird es wahrscheinlich zu einem Verkauf kommen.

Daher bringt Livestream-Shopping Vorteile gegenüber dem traditionellen E-Commerce mit sich. In China setzt sich das in dem fortlaufenden Aufwärtstrend durch. Livestream-Shopping boomt dort. Aber auch in den USA ist dieser Trend nicht aufzuhalten und auf dem Vormarsch. Und es wird wahrscheinlich kein flüchtiger Trend sein. Dagegen verhalten sich die Europäer etwas zurückhaltender. Aber der Durchbruch ist nur noch eine Frage der Zeit.