Die Strategieberatung EY-Parthenon befragte über 8.000 Kunden zu den führenden Online-Händlern und erstellte daraus ein “Performance Ranking” der Online-Händler. Welche Online-Händler sind erfolgreich und warum sind sie erfolgreich? Das sind die Fragen, auf die die aktuelle Studie von EY-Parthenon Antworten gibt.
Strategische Optionen für Online-Händler
Die Studie kommt zum Schluss, dass Online-Händler, um erfolgreich zu sein, sich entweder positionieren müssen als:
- «Jedermanns Liebling» («Everybodys Darling») mit einem breiten Angebot und großer Bequemlichkeit, für einen möglichst schnellen und angenehmen Einkauf oder als
- «Nischenhelden» («Nischen-Heroes») bewusst abgrenzen, auf Authentizität setzen und sich auf bestimmte Zielgruppen spezialisieren.
Es kommt also auf eine klare und konsequente Orientierung an, die auch von den Käufern entsprechend wahrgenommen und honoriert wird. Anbieter, die sich konsequent für einen der beiden Wege entscheiden, sind nach aktuellen Erkenntnissen des Rankings deutlich erfolgreicher: Sie wachsen doppelt so stark wie die Anderen.
Was sagen die empirische Daten?
Ein Blick auf die empirischen Daten belegt die Thesen:
- Die führenden Anbieter – mit einem breiten Angebot und schnellen Kaufprozessen «Jedermanns Lieblinge» wuchsen durchschnittlich um 7,5 % und damit ebenfalls deutlich stärker als Unternehmen, die sich nicht klar für eine Strategie entschieden haben. Diese stiegen nur durchschnittlich um 4,1 %.
- «Nischenhelden» waren in 2018 mit einem Umsatzwachstum von 10 %, deutlich erfolgreicher als der Markt. Als Nischen-Hero gefällt man nicht allen Kunden, viele polarisieren, bieten aber der klar definierten Zielgruppe ein besonderes Einkaufserlebnis.
Klare Positionierung und das Gesamtpaket sind wichtig
Je klarer sich Unternehmen strategisch positionieren, desto höher ist die Kundenbindung. Gerade die jüngeren Zielgruppen sind wechselbereiter und offener für neue Formate und Angebote. Speziell diese Zielgruppen können über die klare Positionierung besser gebunden und gehalten werden.
Der Wettbewerb unter den Online-Händler ist hart, Online-Händler müssen mit ihrem Shop daher ein stimmiges Gesamtpaket anbieten, das Interessenten zielgenau anspricht und Verbraucher mit klaren Kundenvorteilen zum Kauf verführt. Konkret hapert es oft an diesen Punkten:
- Keine klare Positionierung: Wofür steht mein Online-Shop? Diese Frage müssen nicht nur Händler auf Anhieb beantworten können. Auch Verbraucher müssen sofort erkennen, was ihnen ein Online-Händler bietet.
- Nur eine Flut von Features: Der erste Schritt ist geschafft und der Verbraucher bleibt im Online-Shop. Das ist schon einmal gut. Möglicherweise interessiert sich der Besucher auch für einen Artikel. Doch schon folgt die nächste Frage, die Händler sofort beantworten müssen: Warum sollte der Kunde ein Produkt kaufen bzw. welchen Mehrwert oder Vorteil hat er? Doch in der Praxis zeigt sich leider immer wieder, dass Händler hier oft keine passende Antwort parat haben, und es werden nur Artikel-Features auf der Webseite angeboten, nicht die Vorteile, die der Kunden durch das Produkt erhält.
- Kein zwingender Call-to-Action: Nun hat ein Kunde ein Produkt gefunden, das er verlockend findet und auch kaufen möchte. Dazu braucht es die entsprechende Handlungsaufforderung – den so genannten „Call to Action“. Wer Interessenten zu Käufern machen will, sollte das seinen Besuchern daher auch entsprechend mitteilen. Das geht zum Beispiel in einem ersten Schritt mit einer klassischen Handlungsaufforderung wie „Jetzt kaufen“. Allerdings wird auch hier wieder eine entscheidende Frage nicht beantwortet: Die Frage, nach dem „Warum“. Denn warum sollte der Kunde ausgerechnet jetzt kaufen? Der Kaufdruck könnte zum Beispiel erhöht werden, in dem das Angebot befristet wird – zeitlich oder über die Menge.
Was macht einen erfolgreichen «Nischenhelden» aus?
Die erfolgreichen «Nischenhelden» setzen bewusst auf Leistungsdimensionen, die für einzelne Kundengruppen oder für bestimmte Kaufanlässe relevant sind. Damit stellen sie sicher, dass sie den Geschmack der Zielgruppe treffen und das Leistungsversprechen nicht zur Befriedigung der breiten Masse verwässert wird. Dazu gehören:
- Inspirations- oder Content-Elemente für die sich ein Besuch einer Website auch ohne akuten Kaufanlass immer wieder lohnt
- Umfassende Filter- und Suchmöglichkeiten nach spezifischen Produkten für einen bestimmten Anlass
- Angebot von komplexeren oder individualisierten Produkten über einen Online-Konfigurator
- Rundum-sorglos-Serviceelemente, zum Beispiel eine Zeitfenster-Lieferung bis in die Wohnung oder den Aufbau- und Einbauservice
Damit die Kunden am Ende die Transaktion dann wirklich abschließen, muss zusätzlich der Preis stimmen. Insbesondere für hochwertigere Artikel werden noch einmal Preise verglichen und im Zweifel liegt der bequeme Kauf bei einer der großen Plattformen nur den berühmten einen Klick entfernt.
Was macht einen erfolgreichen «Jedermanns Liebling» aus?
Um «Jedermanns Liebling» zu werden, müssen Online-Händler die grösst mögliche Einkaufs-Convenience bieten. Das bedeutet:
- Hinterlegte Kunden- und Zahlungsdaten und ein Click-optimierter Einkaufsprozess
- Kostenlose Lieferung ein bis zwei Tage nach dem Einkauf
- Unkomplizierte und einfache Rückgabe und Umtausch
- Umfangreiches Produktangebot, das alle Bedürfnisse des Kunden adressiert
- Möglichst viele Kontaktpunkte entlang der Customer Journey, sodass für Konsumenten ein „Zusatzaufwand“ entsteht, wenn sie woanders kaufen
«Jedermanns Lieblinge» werden sich mit den großen Online-Plattformen messen müssen, da sonst der Kunde vorbei zu seiner bevorzugten Online-Plattform wechselt. Diese Plattformen finden immer neue zusätzliche Wege, den Kunden für sich einzunehmen: E-Commerce mit kostenloser, schneller Lieferung, Zusatzservices wie Abo-Modelle zur sorgenfreien Nachversorgung, Content zum Video- oder Musikstreaming bis hin zu eigenen Sprachassistenten, die letztlich die Funktion des Händlers im eigenen Wohnzimmer übernehmen.
Digitale Leistungsfähigkeit stationärer Händler
Wie gut sind die stationären Händler online? Betrachtet man den digitalen Reifegrad als Differenz zwischen der stationären und der digitalen Leistungsfähigkeit, fällt auf, dass die stationären Elektronikhändler ihre digitale Leistungsfähigkeit schon fast auf das Niveau ihrer stationären Leistungsfähigkeit gehoben haben. Zu den digitalen Vorreitern in der Branche zählen Conrad Electronic, Cyberport und Electronic Partner. Neben der Elektronikbranche sind auch die Schmuck- und Sport- und Outdoor-Händler auf einem guten Weg, zur stationären Leistungsfähigkeit aufzuschließen.
Was zählt stationär?
Auch die großen und erfolgreichen stationären Händler («Jedermanns Lieblinge») setzen ganz klar auf einen reibungslosen Einkauf, das heißt auf Convenience. Das wird durch die Studie bestätigt. Kunden von dm, Ikea, Bauhaus und anderen honorieren das saubere und aufgeräumte Filialbild, in dem sich der Kunde dank guter Übersichtlichkeit leicht zurechtfindet und das den Einkauf einfach und reibungslos macht.
Im Gegensatz dazu fokussieren sich «Nischenhelden» wie Wempe, Globetrotter oder Breuninger bewusst auf einzelne Zielgruppen und werden damit von den Kunden als exklusiv und hochwertig empfunden. Oder sie bieten richtige Erlebniswelten an. Außerdem setzen die stationären Nischen-Heroes auch klar auf das Serviceversprechen nach dem Kauf, um sich von den großen Ketten abzusetzen, und erzielen hier im Durchschnitt eine deutlich höhere Kundenzufriedenheit. Wer etwas Besonderes erleben möchte oder lieber kleiner einkauft, geht zu den Nischen-Heroes.
Online-Kauf wird auch bei stationären Händlern immer wichtiger
Auch die steigende Bedeutung von Online bei Auswahl und Kauf lässt sich aus der Studie ablesen: In vielen Branchen ist der Online-Kanal als Informations- bzw. Inspirationsquelle vor oder während des Kaufs bereits mindestens so wichtig wie der stationäre Handel. Dies gilt beispielsweise im Bereich Elektronik oder Schmuck. Und andere Branchen, insbesondere Drogerie, Sport & Outdoor und Möbel sind nah dran.
Erfolgsfaktoren für die strategische Online-Ausrichtung
Die Erfolgsfaktoren für die strategischen Stoßrichtungen unterscheiden sich grundsätzlich: Händler, die allen gefallen wollen («Jedermanns Liebling»), müssen dem Kunden stationär und/oder offline ein möglichst bequemes, zuverlässiges Einkaufserlebnis bieten. Für den Offline-Handel heißt das, ein möglichst übersichtliches und aufgeräumtes Filial-Layout, in dem sich der Kunde gut zurechtfindet. Online sind ein maximal Click-optimierter Einkaufsprozess und die schnelle Lieferung entscheidend.
Händler, die sich gegen den Vergleich mit den großen Ketten oder Plattformen entscheiden («Nischenhelden»), sollten sich klar differenzieren und aktiv polarisieren: Inspiration, Erleben und besonderer Service stehen im Vordergrund. Während die stationären «Nischenhelden» die Zusatzleistungen teilweise einpreisen und eine höhere Zahlungsbereitschaft der Konsumenten abschöpfen können, braucht man Online dennoch zusätzlich den besten Preis, damit Kunden nicht nach der Inspirationsphase doch irgendwo anders kaufen.
Die richtige Positionierung zahlt sich aus, muss allerdings mit Leben gefüllt werden. Bei den Nischen-Heroes führt sie auch zu einer kleineren, aber sehr starken Käufergemeinde.