Digitalisierung als Chance für den stationären Handel
Viele stationäre Händler sehen in der Digitalisierung eine Chance, ihr Geschäft fit für die Zukunft und für das Werben um die Kunden zu machen. Die Budgets für die Digitalisierung steigen und der Handel investiert in neue Technologien. Das stellt die aktuelle Studie “IT-Trends im Handel 2019” des EHI Retail Institute fest.
Der Handel baut auf künstliche Intelligenz
Anspruchsvolle Aufgaben stehen auf der Agenda der Händler. Sie umfassen die Erneuerung der IT-Infrastruktur in den Geschäften, die Erneuerung der Kassensysteme, die Gestaltung des Online-Auftritts, Omnichannel-Projekte und auch die Einführung von künstlicher Intelligenz. Letztere identifizierten die 90 befragten Handelsunternehmen, die zusammen für einen Jahresumsatz von fast 500 Milliarden Euro stehen, als wichtigsten IT-Trend für ihre Branche.
Fast 70 Prozent der Befragten heben im Rahmen der EHI-Retail-Studie die Künstliche Intelligenz als den wichtigsten technologischen Trend der kommenden Jahre hervor. Als vorrangigen Einsatzbereich für die Künstliche Intelligenz führen die Unternehmen Predictive Analytics (53 Prozent) an. Dahinter verbirgt sich der Wunsch, das künftige Marktverhalten möglichst genau zu prognostizieren, um das angebotene Sortiment exakt an den Kundenwünschen auszurichten. Aber was steckt noch hinter der Künstlichen Intelligenz im Handel?
Künstliche Intelligenz – Hype oder Realität?
Zunächst einmal ist der Begriff Künstliche Intelligenz in aller Munde und zwar nicht nur im Handel. Ein Begriff, der als Trend intensiv gehypt und über den fast täglich in der Fachpresse berichtet wird. Sicherlich hat Künstliche Intelligenz im Handel ein großes Potential, aber wo kommt sie und wo wird sie zum Einsatz kommen? Und wie realistisch ist der Einsatz von intelligenten Lösungen im Einzelhandel und welche Anwendungsfälle haben die besten Chancen, um zu bestehen?
Technologien der Künstlichen Intelligenz im Handel
Laut des Whitepapers „Smart Store“ des EHI Retail Institutes und Microsoft setzen 32 Prozent der befragten Unternehmen auf die Anwendung von Lösungen der Künstlichen Intelligenz in den Filialen – 36 Prozent planen, das für die nächsten Jahre. Zum Einsatz kommen die Trendtechnologien Voice Commerce (33 Prozent), Chatbots (44 Prozent) und Blockchain (62 Prozent).
Künstliche Intelligenz – die neue Revolution im Handel
Wenn Lieferroboter oder Lieferfahrzeuge autonom ihre Ziele erreichen, KI-Systeme in Krankenhäusern bei der Diagnose helfen oder intelligent Geschäftsberichte oder andere Dokumente analysieren, dann werden sofort die Chancen deutlich, die künstliche Intelligenz in den verschiedenen Bereichen bieten kann. Die Grundprinzipien der künstlichen Intelligenz wie die Mustererkennung, das maschinelle Lernen und Vorhersagen, sind auch vielseitig im Handel nutzbar. Im Wesentlichen sind es drei Bereiche, in denen künstliche Intelligenz im Handel zum Einsatz kommt:
Unterstützung von Planung und Prozessen durch KI
Durch intelligente Prognosen des Artikelbedarfs können Bestellmengen optimiert und Bestellprozesse automatisiert werden. Das führt zu reduzierten Lagerbeständen und der Minimierung von Rücksendungen. Um eine schnelle und zeitgenaue Kundenlieferung zu ermöglichen berücksichtigen Systeme mit Künstlicher Intelligenz aktuelle Verkehrs- und Wetterdaten und berechnen optimale Lieferrouten.
Amazon weiß heute exakt, was in seinen Lagern vorhanden ist. Durch maschinelles Lernen und Mustererkennung werden Waren vorausschauend in den Lagerstandorten umgelagert, um die Verfügbarkeit zu erhöhen und einen schnellen Versand zu erreichen.
Beim New Yorker Modehaus Elie Tahari wurde die Lieferkette über die Jahre zunehmend komplexer: Von Produzenten in Asien bis zu einem weitverzweigten eigenen Filialnetz und verschiedenen Einzelhändlern in 40 Ländern. Entscheidungen, welche Produkte an die jeweiligen Filialen zu senden sind, welche Artikel bei den Lieferanten bestellt werden mussten und wie neue Lieferungen am besten aus Übersee eingeführt werden, waren kompliziert. Die Informationen mussten mühsam aus verschiedenen Systemen zusammengesammelt sowie per Tabellenkalkulationen manuell sortiert und analysiert werden. Ein System basierend auf Künstlicher Intelligenz löst diesen Aufgaben heute in Sekundenschnelle.
Mit Hilfe präziser Vorhersagen für die zentrale Disposition erreicht Kaufland heute einen sehr hohen Automatisierungsgrad bei den täglichen Bestellungen. Das Besondere bei der Lösung ist die Aufbereitung von Big-Data-Analysen unter Einbeziehung aller möglichen Faktoren: Neben unternehmensinternen Daten werden bei den Bestellentscheidungen wichtige Einflüsse wie Sonderaktionen, Feiertage, Schulferien oder das Wetter berücksichtigt. Das Ergebnis: Der Arbeitsaufwand ließ sich in allen Filialen erheblich reduzieren, die Zahl der Abschriften wurde geringer, und die Produkte sind besser verfügbar und frischer.
Unterstützung von Produktangebot und Preisgestaltung durch KI
Der Kunde erwartet heute individuelle und personalisierte Angebote. Er informiert sich über unterschiedlichste Kanäle, in sozialen Netzwerken, im Geschäft, im Fernsehen, mit verschiedenen Geräten und kauft dann und dort ein, wo aus dem Gedanken ein Kaufimpuls wird. Hier kommen die Stärken von künstlicher Intelligenz zum Einsatz. Selbstlernende Algorithmen, die Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen, um daraus dann Vorhersagen zu treffen, stehen bei vielen Händlern auf der Agenda.
Die intelligente Preisgestaltung ermittelt den optimalen Preis unter Berücksichtigung von zum Beispiel Wettbewerberpreisen, Wetterdaten und Lagerbeständen. Das hilft, die Lagerbestände zu reduzieren und Kostenunterschiede zu berücksichtigen.
Die Otto-Group-Tochter Bonprix setzt in diesem Bereich eine Software ein, um automatisiert Preise für jedes einzelne Produkt festzulegen – im Online-Shop wie in den stationären Geschäften. Es geht darum, interne Daten, eigene Preisstrategien und externe Daten zusammenzubringen und darauf basierend automatisiert Preise jederzeit anpassen zu können. So lassen sich auch der Abverkauf über die Saison besser steuern und damit letztlich auch die ruinösen Preiskämpfe am Saisonende vermeiden.
Auch Repricer und Systeme für das Dynamic Pricing sind auf Marktplätzen ein wichtiges Mittel, um sich gegenüber Mitbewerbern durchzusetzen. Der Händler kann seine eigenen Verkaufsstrategien einbringen. Statt permanenter Preisführerschaft passen die Algorithmen dann die Preise so an, dass die Ware über einen definierten Zyklus stets lieferfähig gehalten wird, bis am Saisonende das letzte Stück verkauft wird, oder aber stets die höchste Marge erzielt wird, trotz eines attraktiven Preises.
Beratung und Service mit KI
Ob Online-Handel allein oder Offline-Handel mit Webseiten-Anbindung: Intelligente Chat- und Service-Bots, die zu einem Produkt oder einer Lieferung Auskunft geben können, rücken immer mehr in den Fokus. Die Leistungsfähigkeit ist oft schon so hoch, dass Benutzer manchmal nicht sicher sein können, ob sie mit einem Menschen oder einer Maschine sprechen.
Chatbots, die rund um die Uhr die Kundenanfragen per Website oder Messenger beantworten, sind die klassischen Beispiele für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Dabei geht es um die Analyse und Auswertung großer Datenmengen. Nur wer weiß, welche Fragen die Kunden am häufigsten haben und welche Antworten darauf zu geben sind, ist auch in der Lage, eine automatisierte Unterhaltung aufzubauen. Intelligente Einkaufshilfen wie Sprachassistenten unterstützen bei der Einkaufsplanung.
Verkaufs- und Promotionskioske unterstützen in den Geschäften als digitale Berater bei der Navigation und Vorstellung neuer Produkte.
Das Bewusstsein ist vorhanden und erste Schritte sind eingeleitet
Der großflächige Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Praxis ist jetzt der nächste Meilenstein. Vor allem aber sollten Händler der Versuchung widerstehen, nur kurzfristige Renditeziele zu verfolgen und dabei Kunden – vor allen Dingen im Sinne langfristiger Kundenbindung – aus dem Blick zu verlieren.
Künstliche Intelligenz wird überall dort im Handel wichtig, wo aus Daten Entscheidungen vorbereitet oder sogar getroffen werden müssen. Künstliche Intelligenz kann helfen, Routinearbeiten zu automatisieren, Prognosen über zukünftige Entwicklungen zu geben und Erkenntnisse aus großen oder unklaren Daten zu ziehen. Über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg werden komplexe Entscheidungen automatisiert, der Workflow wird effizienter, die Kosten sinken.