China hat sich in den letzten Jahren von einem technologisch rückständigem Land zu einer der größten digitalen Volkswirtschaften der Welt entwickelt. Während in Deutschland die Digitalisierung in der Gesellschaft und auch im Handel nicht stattfindet und zudem verschleppt wird, findet man sie in China in allen Bereichen der Gesellschaft und auch im Handel. Und das bei 989 Millionen Internet-Nutzern, 99,7 Prozent Smartphone-Besitzern. Insgesamt sind die Menschen in China circa 26 Stunden in der Woche online. Auch in anderen Bereichen des Handels sprechen die Zahlen für sich. Was sind die Ursachen für diese Entwicklung? Sind es die digitalen Innovationen in den Bereichen Omnichannel-Einzelhandel, soziale Medien, On-Demand-Dienste, Mobilität, aber auch Finanztechnologie, Gesundheitstechnologie und andere Bereiche?
Digitale Innovationen in China
Digitale Innovationen sind in China im Wesentlichen für die weitverbreitete Digitalisierung verantwortlich. Besonders im Handel gehören dazu: Die digitale Online-/Offline-Integration, die Virtualisierung von Dienstleistungen, die Mobilitätsrevolution und die Digitalisierung des sozialen Lebens und der Lieferkette. Die Integration der bisher getrennten Einzelhandelswelten mit dem Online-Handels wird sich weiter fortsetzen. Auch der soziale Handel wird weiterhin florieren und einen immer größeren Anteil am Online-Handel ausmachen. Dieser Trend verstärkt sich einmal durch die gestiegene Nutzung der sozialen Medien in privaten Bereich. Zum anderen führt die überwiegend mobile Nutzung der Kanäle zur verbesserten Erfüllung der Kundenwünsche – Wünsche nach Bequemlichkeit und Effizienz und Personalisierung.
Digitale Innovation – die Online-/Offline-Integration im Handel
China macht es schon seit Langem vor: Dort entwickelte sich bereits 2016 das Handelskonzept „New Retail“, das den Einzelhandel zunehmend mit Online-Technologien verbindet. Weiterhin werden seitdem alle Möglichkeiten ausgeschöpft, Kunden durch die verschiedensten Technologien ein einzigartiges Einkaufserlebnis zu bieten und gleichzeitig den Händlern bessere Einsichten in ihre Verkäufe und Geschäftsprozesse. Detailliert über die Integration von Online und Offline in China berichtet der Beitrag “New Retail – Handel 2025“.
Digitale Innovation – innovative Retail-Technologien
Alle neuen Technologien, die im Einzelhandel wie auch im Online-Handel angewendet werden, vereinen sich unter dem Begriff „Retail Technology“. Und zwar von Künstlicher Intelligenz (KI) über Sensorik bis hin zum automatisierten Einkaufen. Die Anwendungsmöglichkeiten von Retail Technology sind vielfältig. Hier eine Auswahl. Künstliche Intelligenz: Hier gibt es Menge an verschiedensten Technologien, die Prozesse vereinfachen und Kundendaten besser verstehen, um denen in Zukunft passgenaue Angebote zu liefern.
Digitale Innovationen am Point-of-Sale
Intelligente POS-Systeme sammeln Kundeninformationen und bieten digitales Marketing angeboten. Durch das Sammeln von Kundeninformationen wird das Kundenerlebnis verbessert, denn anhand der Daten lassen sich Artikel besser platzieren oder auf den Kunden abstimmen. Anhand von Digital Signage am POS können das Marketing und die Werbeinhalte z.B. an Tageszeit, Ort, Wetter oder dem aktuellen Kundenverhalten angepasst werden.
Scan&Go-Technologien machen ein automatisiertes Einkaufen ermöglichen. Kassenlose Geschäfte, die meistens rund um die Uhr geöffnet sind, in denen die Kunden nicht mehr in Warteschlangen stehen müssen, um das Geschäft mitsamt Einkäufen verlassen zu können. Mit Scan&Go-Technologien können Kunden ihre Einkäufe mit bestimmten Apps auf dem Smartphone eigenständig einscannen, darüber ebenfalls bezahlen und dann den Laden wieder verlassen.
Digitale Innovationen – Robotik und Sensorik
Roboter helfen den Kunden weiter und leiten sie zu Produkten oder beantworten Fragen. Zum anderen entlasten Roboter Mitarbeiter im Geschäft. Sie wischen die Böden beim Fahren, scannen die Regale und melden sich, wenn Artikel am falschen Platz stehen.
Sensorik analysiert zum einen das Verbraucherverhalten und die Produktnachfrage. Intelligente Regalsensoren können hierbei erkennen, wie erfolgreich Produkte sind, wann sie entnommen werden und wie lange Kunden sich mit ihnen beschäftigen.
Digitale Innovation – Virtualisierung von Dienstleistungen
Auch die Online-Bereitstellung von Dienstleistungen rückt in China mehr und mehr in den Mittelpunkt. Dabei ist die Virtualisierung von Dienstleistungen im Gesundheits- und Bildungswesen bereits voll im Gange. Ebenso im Bildungsbereich. Selbst traditionelle Offline-Erfahrungen wie Immobilienbesichtigungen haben sich während der Pandemie ins Internet verlagert. Beike, ein großer Immobilienanbieter, nutzt neue Technologien, um den Kunden seine Dienstleistungen anzubieten.
Im Handel dominiert das Livestreaming und Broadcasting im E-Commerce. Aber auch Augmented Reality (AR) Technologien besitzen Potenzial, dem Kunden zum einen ein spannendes, interaktives Erlebnis zu bieten und zum anderen viel über ihn und seine Einkäufe herauszufinden. Augmented Reality liefert den Kunden zusätzliche Informationen oder Gebrauchshinweise über ihre Produkte und den Unternehmen gleichzeitig Kundendaten und Kundenprofile, die anhand des AR-Features aufgezeichnet werden.
Digitale Innovationen – digitale Mobilität – mobile first
Ob mit dem Smartphone im Zug, dem Tablet daheim oder mit einem Latte Macchiato im hippen Café – IT-Nutzung ist immer weniger an einen bestimmten Ort gebunden. Eine ganze Reihe von kleineren und größeren technologischen Neuerungen sind dafür verantwortlich. Neben leistungsfähigen mobilen Computer wie Smartphones mit genügend schnellen digitalen Funkschnittstellen gehören dazu auch eine Mobilfunknetz-Infrastruktur mit hinreichender Flächenabdeckung und Datenkapazität, Ortungssysteme sowie Standards und Protokolle für den Datenaustausch.
Informationstechnik ist mobil, erleichtert Mobilität und verändert diese durch Allgegenwärtigkeit. Digitale Mobilität befriedigt das Grundbedürfnis des Menschen nach Mobilität und sozialen Kontakten, stellt aber auch hohe Anforderungen an die technische Infrastruktur und den Schutz der Privatsphäre. IT wird zum ständigen Begleiter. Dazu Informationen und Konzepte auch in einem früheren Beitrag “Mit Mobile-to-Store Kundenfrequenz steigern“.
Digitale Innovationen – intelligente Fahrzeuge und Lieferroboter
Elektroautos, Drohnen, autonom fahrende Lieferwagen und Lieferroboter erhöhen die Liefergeschwindigkeit und lösen die Probleme der “letzten Meile”-Zustellung. Kosten und Emissionen werden gesenkt.
So werden in Peking beispielsweise in einer Zusammenarbeit von JD.com und Meituan mit dem Start-up-Unternehmen Neolix autonome Lieferfahrzeuge eingesetzt. Es kommt zur “driverless delivery” im Geschäftsdistrikt der Metropole.
Digitale Innovationen – Digitalisierung der Lieferkette und IoT
Das letzte Puzzlestück der Digitalisierung ist die Verbesserung der Agilität der Lieferketten. Die Lieferketten werden agiler, um häufigere und vielfältige On-Demand-Bestellungen zu erfüllen, sowie Verbrauchertrends und Nachfragequellen besser vorhersagen zu können.
Der Haushaltsgerätehersteller Midea setzt IIoT-Technologien (Industrielle Internet-of-Things-Technologien) ein, um Fertigungsprozesse zu verbessern und Produktinnovationen zu unterstützen. In Mideas sensorfähigen Montagelinien mit flexibler Automatisierung” ist der Fertigungsprozess nicht nur vollständig automatisiert, sondern auch dynamisch anpassbar, um Unterschiede bei Maschinenmodellen, Verarbeitungsanforderungen und Materialien zu berücksichtigen. Maschinelles Sehen wird eingesetzt, um Fehler in Fertigungsprozessen zu erkennen, während IIoT-fähige Maschinen Nutzungsdaten von Kunden an die F&E-Teams zurücksenden und so wertvolle Informationen und Erkenntnisse liefern, die einen kontinuierlichen Innovationsprozess vorantreiben.
Digitale Innovationen – wie sieht die Zukunft aus?
All diese verschiedenen Technologien und Konzepte haben eines gemeinsam: Sie steigern das Einkaufserlebnis der Kunden. Und sie binden sie damit an ihre Marke. Die Akzeptanz neuer technologischer Innovationen wächst. Gerade in der Corona-Krise ist es klarer denn je geworden: Technologische Innovationen und Fortschritte sind notwendig, um den Menschen den Alltag zu erleichtern. Das hat Folgen nicht nur für Händler, sondern auch für Marken. Die Frage ist nicht mehr, ob sich Retail Technologien durchsetzen werden, oder wann sie es tun werden. Die Frage lautet vielmehr, welche Technologien kann und sollte der Händler in seinem Geschäft einsetzen.
Im abschließenden Video wird ein Überblick über die wichtigsten Trends im Handel noch einmal zusammengefasst.
Digitale Innovationen – Erfolgsfaktoren in China
Es sind im Wesentlichen drei Faktoren, die die Digitalisierung in China beflügeln:
- Der Markt ist – zumindest nach innen – relativ schwach reguliert, die Einstiegsbarriere für junge chinesische Unternehmen niedrig.
- Die Regierung fördert neue Technologien. Zum Beispiel mit dem Entwicklungsplan für die nächste Generation künstlicher Intelligenz und den flächendeckenden Ausbau des 5G-Netzes.
- Hinzu kommt die digitale Urbanisierung in China. Fast die Hälfte aller Smart Cities der Welt befinden sich in China. Das sind insgesamt etwa 500. Dabei konzentrieren sich Smart-City-Anwendungen zunächst auf Bereiche wie Sicherheit und Verkehrsmanagement. Aber 5G-Netze läuten bereits eine neue Ära für Städte als integrierte digitale Plattformen ein.
- Die mobile first-Mentalität der chinesischen Menschen, die mittlerweile alle Aktivitäten des privaten, gesellschaftlichen und beruflichen Lebens mit dem Smartphone erledigen.
- Chinesische Konsumenten sind sehr offen für neue Technologien und probieren gerne neue Angebote aus – seien es digitale Lösungen oder physische Produkte. Deutsche Verbraucher beispielsweise sind einer Marke gegenüber deutlich loyaler.
Zentraler Erfolgsfaktor der Digitalisierung im Handel ist dabei: Digitalisierung darf nicht als reines Technologie-Thema begriffen werden, sondern bedarf einer ganzheitlichen strategischen Einbettung. Dann trägt sich die Transformation im besten Fall finanziell selbst und kann sogar ganz neue Geschäftsmodelle generieren. Bei der Umsetzung kommt es darauf an, Leadership, Geschwindigkeit und unternehmerische Beweglichkeit zu zeigen.
Serie – Digitales Einkaufserlebnis in China
Zu guter Letzt: In einer Serie von Beiträgen beleuchteten wir das Digitale Einkaufserlebnis in China von verschiedenen Seiten. Dabei gilt es aufzuzeigen, wie das digitale Einkaufen und das neue Einkaufserlebnis in China aussieht. Und der Bogen spannt sich über die bekannten Online-Plattformen hin zu Handy-Apps, Social Shopping über soziale Medien, Influencer-Marketing, Livestream E-Commerce und Livestream-Shopping, die kontaktlose Bezahlung im Alltag und spezielles Retailtainment und Online-Shopping-Tage in China. Schließlich wird auch ein Ausblick auf das Einkaufen mit digitalen Sprachassistenten gegeben. Zu guter Letzt runden der Blick auf Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte das digitale Einkaufserlebnis ab. Bei vielen von den neuen Einkaufskanälen und Einkaufsmöglichkeiten spielt der QR-Code eine tragende Rolle: QR-Code – Einkaufen in China.
In diesem Zusammenhang erschienen sind bereits die folgenden Beiträge:
- Digitales Einkaufserlebnis in China (1)
- Interaktives Online-Shopping in China (2)
- Einkaufserlebnisse bei Shopping-Events in China (3)
- Livestream-Shopping in China (4)
- Social E-Commerce in China (5)
- KOLs – die neuen Verkäufer in China (6)
- Stationäre digitale Einkaufserlebnisse in China (7)
- Kassierer- und Verkäuferlose Geschäfte in China (8)
- QR-Code – Einkaufen in China (9)
- Roboter revolutionieren Dienstleistungen in China (10)