Der Euphorie folgt Pragmatismus
Welche Technologien werden sich in 2019 durchsetzen? Womit beschäftigen sich die CIOs in diesem Jahr? Wir schauen auf die Trends und Themen im Jahr 2019: Chatbots, Künstliche Intelligenz, Sicherheit, Maschine Learning und vieles mehr.
Allerdings mahnt das Beratungshaus Forrester nach der Technologie-Euphorie in 2018 rund um Artificial Intelligence, Augmented/Virtual Reality, Blockchain und anderen Technologien wieder Pragmatismus in die digitale Transformation einziehen zu lassen. Es sind zwar weiterhin neue Technologien auf dem Markt, aber ihr Einsatzpotential zu heben, benötigt Zeit.
Was rückt 2019 in den Fokus?
Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Trend- und Prognosebeiträge analysiert und Trends für 2019 beschrieben, die sich mehr an Pragmatismus als an Optimismus und Hype orientieren. Folgende Themen rücken in diesem und dem kommenden Jahr in den Fokus der CIOs:
Fokusthema 1: Renaissance der Backend-Systeme
Backend-Systeme rücken wieder stärker in den Fokus. Nach Jahren des digitalen Experimentierens und dem Entwickeln von modernen Frontend-Systemen, insbesondere für mobile Endgeräte, wird klar, dass die Modernisierung der operationalen Kernprozesse und Kernsysteme notwendig wird. Denn auch gerade diese müssen sich an der permanenten Interaktion mit den Kunden orientieren. Hinzu kommt, dass auch die neu entwickelten kundenorientierten Systeme auf Transaktionen und insbesondere auf Daten der Backend-Systeme angewiesen sind. Daher bildet die Modernisierung der Backend-Systeme und die Schaffung der technischen Grundlagen und flexibler IT-Fundamente die Grundlage für die intensivere Digitalisierung.
Fokusthema 2: Cloud wird weitere Plattform
Die Cloud ist als Anwendungs- und als Entwicklungsplattform mittlerweile bei den Unternehmen angekommen. Dieser Trend wird in den nächsten Jahren noch zunehmen: Verstärkte Nutzung von Cloud-Technologien und Cloud-Optionen für neue und moderne Anwendungen bei gleichzeitiger Integration mit eigenen Rechenzentren und Edge-Lokationen mit Backend-Systemen.
Im letzten Jahr nahmen die Migrationsprojekte hin zur Public Cloud zu. Dabei geht es nicht nur um Entwicklungs- und Testprojekte, in deren Rahmen die notwendigen Speicher- und Computing-Ressourcen aus der Cloud je nach Bedarf hoch- und wieder heruntergefahren werden. Zunehmend werden auch produktive Anwendungen, etwa SAP-Anwendungen aus internen Umgebungen, in Public Clouds verlagert. Immer mehr Unternehmen prüfen die Public Cloud sogar als Alternative zum eigenen Rechenzentrum.
Auch wenn SAP den Anstoß zur Verlagerung in die SAP-Cloud gibt, ist die Anwendungslandschaft der Unternehmen vielfältiger, die bevorzugten Zielplattformen sind dann Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure. Google Cloud spielt bislang noch die Rolle des Herausforderers.
Die neuen Cloud-Umgebungen sind in der Regel hybrid, weil sie neben Public Clouds auch meistens Private Cloud- und Legacy-Ressourcen integrieren. Zudem verfolgen Unternehmen gern auch eine Multi-Cloud-Strategie, die Public-Cloud-Services verschiedener Anbieter umfasst. Hintergrund dieser Vielfalt ist, sich möglichst große Unabhängigkeit zu bewahren und einen sogenannten Vendor Lock-in zu vermeiden.
Das flexible Management dieser hybriden Welten wird eine kritische Herausforderung für die Unternehmen. Aber immerhin gibt es bereits Lösungsansätze, die von erweiterten IT Management-Tools über selbst entwickelte Cloud-Management-Plattformen bis hin zu Managed-Service-Angeboten diverser Cloud Provider reichen.
Fokusthema 3: Agile Methoden und DevOps
Es wird eine Beschleunigung von digitalen Entwicklungen durch agile Software-Entwicklung und DevOps, das heißt neue Funktionalitäten und neue Software-Releases in hoher Geschwindigkeit bei höchstmöglicher Qualität geben. Besonders erfolgsversprechend ist hier die Entwicklung von Kubernetes (Standard für die Orchestrierung von Containern) zu sehen, die den Umgang für den Entwickler vereinfachen.
Damit einher geht auch, dass viel mehr neue Software-Anwendungen entstehen als in den vergangenen Jahren. Möglich machen das DevOps und die optimale Abstimmung einzelner Abläufe, Tools, Infrastruktur und alle beteiligten Entwickler, die mehrfach tagesaktuelle Software-Updates zu liefern. Entscheidend ist dabei, dass Entwickler-Teams und Operations “Hand in Hand” arbeiten. Dies erfordert eine Kulturänderung sowohl bei der Entwicklung wie auch bei der IT-Produktion.
Die Grundlage dafür sind auch neue Entwicklungstools und Entwicklungsverfahren, wie Container, Serverless Computing, Microservices-Architekturen, APIs, Platform-as- a-Service (PaaS), Code-Sharing in Communities, Plattformen und Marktplätze sowie Low-Code-Environments, die letztlich zu produktiveren Ansätzen beitragen.
Fokusthema 4: Zunehmende Bedeutung von IT-Architektur
Die IT-Architektur wird zum Schlüssel für den mittel- und langfristigen Erfolg der Digitalisierungsinitiativen. Die Rolle der IT-Architekten wird wichtiger denn je. Denn die starken Veränderungen bei den Infrastrukturalternativen, den Software-Stacks, den Entwicklungs- und Deployment-Tools, IT-Betrieb und IT-Sicherheit erfordern eine solide und zukünftig ausgerichtete IT-Architektur, auf die die Transformationsinitiativen aufbauen können. Ohne Fundament und sorgfältige Planung ist das nicht schaff- und umsetzbar.
Eine besondere Rolle im Rahmen der Digitalisierung nimmt auch das Enterprise Architecture Management (EAM) im Sinne von Dokumentation und Analyse der kompletten IT-Architektur, angefangen von den Anwendungssystemen und unterstützten Geschäftsprozessen, Informationen und Informationsflüssen, Datenbanken, bis hin zu Servern und technologischen Infrastrukturen. Ohne eine detaillierte Kenntnis der IT-Landschaften ist eine detaillierte Planung, Steuerung und Nachvollziehbarkeit im Fehlerfall nicht möglich.
Fokusthema 5: KI und ML pragmatisch umsetzen
Die Themen „Künstliche Intelligenz“ (KI) und “Machine Learning” (ML) werden weiter in 2019 im Fokus stehen. Allerdings ist begrifflich mehr Zurückhaltung geboten, zum Beispiel ist nicht jedes Spracherkennungssystem gleich „Künstliche Intelligenz“. Beide Themen besitzen durchaus viele Potentiale.
Machine Learning und Künstliche Intelligence sind ohne Zweifel komplexe Themen. Die wenigsten internen IT-Organisationen besitzen Experten, die das notwendige Wissen in Sachen Statistik und Informatik mitbringen, um nicht triviale Lösungen in diesem Bereich zu entwickeln. Fertige AI-Services in der Cloud wie zum Beispiel die Cognitive Services von Microsoft bieten aber mittlerweile hier Lösungen, um die Einstiegshürden zu senken. Weitere neue Dienste und Services werden in 2019 auftauchen und den Anwendern intelligente Programmfunktionen anbieten, die bis vor kurzem nicht finanzierbar gewesen sind.
KI-Technologien werden die Unternehmen und ihre IT-Bereiche in pragmatischen Schritten voranbringen. Das betrifft die Schnittstellen zu Kunden und Mitarbeitern (Customer und Employee Experience), IoT- beziehungsweise Edge-Services, Enterprise-Anwendungen sowie komplexe Back-end-Prozesse. Zu letzteren gehören etwa Cybersecurity, der IT-Betrieb, Anwendungsentwicklung- und -Management sowie die Supply-Chain-Optimierung. Dabei handelt es sich in den nächsten Jahren nicht um eine „echte“ künstliche Intelligenz, sondern um Algorithmen, welche mit Analytics und Big Data der letzten 10 Jahre endlich etwas anfangen können, nämlich die Analyse all dieser Datenpunkte zwecks Optimierung von Prozessen.
Fokusthema 6: Sprachassistenten nehmen zu
2019 werden wir viele weitere neue Geräte mit Sprachunterstützung auf dem Markt finden. Amazon hat vor kurzem bekannt gegeben, dass mehr als 100 Millionen Geräte verkauft wurden, in denen die Sprachassistentin Alexa eingebaut ist. Amazon versucht auch, diese Technologie in immer Technik anderer Hersteller zu integrieren. Mit dem System Alexa Connect lässt sich Alexa auch künftig in Backöfen, Mikrowellen und Waschmaschinen einbauen. Aber auch Google, Apple, Microsoft bieten eigene Sprachassistenten an. Folglich werden in 2019 viele neue Geräte mit Sprachassistenten auf den Markt geworfen werden.
Letztlich wird der Einsatz in Unternehmen an vielen Stellen, in verschiedensten Industrien zunehmen. Dabei geht es aber letztlich darum, sinnvolle und nutzenstiftende Anwendungen für diese Basistechnologie zu finden.
Fokusthema 7: Steigende Bedeutung der IT-Sicherheit
Mit dem Internet of Things (IoT) und der zunehmenden Digitalisierung ergeben sich völlig neue Risiken. Um neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu ermöglichen, schaffen Fertigungsunternehmen neue Zugänge zu den Datenpools von Maschinenparks. Dieser Trend zur Öffnung ist jedoch kein Vorgang, der nur in der Fertigungsbranche zu beobachten wäre. Vergleichbare Entwicklungen sind in nahezu allen Branchen zu beobachten, zum Beispiel bei Autoherstellern (Connected Car, autonomes Fahren), Energie-Unternehmen (Smart Meter, Smart Grid), bei Banken (PSD2), in der öffentlichen Verwaltung (Smart Cities, Open Data) und im Gesundheitswesen (Smart Health).
Die Herausforderung besteht darin, dass die Vernetzung der Produktionssysteme, Maschinen und Geräte schneller voranschreitet als deren Absicherung. Besonders problematisch erweist sich die IoT-Einbindung von Altsystemen ohne integrierte Cyber-Security-Mechanismen. Sie müssen daher überarbeitet, verändert oder nachgerüstet werden, wofür es allerdings häufig an den notwendigen Werkzeugen, Ressourcen, Risiko-Bewusstsein sowie IT- und Domain-übergreifendem Know-how mangelt.
Deshalb sollten sich Unternehmen aller Branchen zügig um eine unternehmensweite, einheitliche IoT-, ICS- (Industrial Control Systems) und Cyber-Security-Strategie bemühen, die ein neues, ganzheitliches Abwehr- und Schutz-Paradigma implementiert. Im kommenden Jahr und mit fortschreitender Digitalisierung werden sich Unternehmen zunehmend um den Schutz ihrer IoT-Installationen und industriellen Kontrollsysteme, aber auch ihrer herkömmlichen IT kümmern, da diese im Zuge der digitalen Transformation zunehmend integriert werden.
Fokusthema 8: Digitalisierung erfordert Strategie
Mit der zunehmenden Digitalisierung vernetzen sich die Fach- und Technologiebereiche der Unternehmen in einer nie dagewesenen Art. Die digitale Transformation ist ein Wandel, den Unternehmen gestalten müssen, um die Digitalisierung zu meistern. Am Anfang der digitalen Transformation sollte immer die Strategie zur Digitalisierung stehen. Das wurde von den meisten Unternehmen vernachlässigt. Sie wird aber in den nächsten Jahren im Mittelpunkt der CIO-Aufgaben stehen.
Die Digitalisierung erfordert ein neues strategisches Denken, denn sie adressiert andere Themenbereiche als die klassische Unternehmensstrategie. Eine digitale Strategie muss daher mehrere Strategiefelder berücksichtigen, um eine erfolgreiche Transformation des Unternehmens zu umzusetzen: Kunden, Wettbewerb, Daten, Innovationen, Werte und Skills. Diese Ankerpunkte sind für die geplanten Digitalisierungsvorhaben zu konkretisieren und zu planen, um Erfolg zu haben.
Wachstum in den IT-Ausgaben schwächt sich ab
Insgesamt soll sich das Wachstum der IT-Ausgaben im kommenden Jahr etwas abschwächen. Nachdem die IT-Budgets 2018 weltweit im Durchschnitt um 6,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugelegt hatten, rechnet Forrester für 2019 mit einem Plus von 6,2 Prozent. Insgesamt sprechen die Analysten mit Blick auf diese Zahlen von nach wie vor soliden Investitionen der Unternehmen in IT. Allerdings dämpfe die Angst vor einem wirtschaftlichen Abschwung infolge der Krisenherde in der Welt die Bereitschaft, Innovationen allzu euphorisch voranzutreiben.